Süddeutsche Zeitung

Lotsen-Streik in Frankfurt:Die Macht der 200

Kein Verkehr auf dem Vorfeld: Die Flughafenarbeiter verlängern ihren Streik auf dem Frankfurter Airport erneut und wollen nun nicht nur bis Mittwoch, sondern bis Freitag die Arbeit niederlegen. Im Tarifkonflikt ist die Gewerkschaft im Vorteil - auch wenn die Zahl der Streikenden gering ist. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Detlef Esslinger

Jetzt oder nie - das ist die Rhetorik bei der Gewerkschaft für Flugsicherung (GdF) in Frankfurt. "Wir müssen das jetzt durchziehen. Und wir werden das jetzt durchziehen", erklärt ihr Tarifvorstand Markus Siebers am Montag, dem dritten Tag des Streiks auf dem Rhein-Main-Flughafen.

Noch bis Freitagabend, 23 Uhr, wollen die Beschäftigten des Vorfelds der Arbeit fernbleiben. Damit wurde die Streikzeit zum zweiten Mal in kurzer Folge ausgedehnt. Allerdings kommt der Flughafenbetreiber Fraport nach eigenen Angaben mit Hilfe eigens geschulter Ersatz-Teams immer besser mit den Folgen des Arbeitskampfes zurecht. Man sei auf einen längeren Streik eingerichtet. An diesem Dienstag sollen statt 240 am Vortag nur noch 187 Flüge ausfallen. Mehr als 1000 Verbindungen, darunter alle Interkontinentalflüge, sollen wie geplant stattfinden.

Um welche Beschäftigten geht es in dem Konflikt?

70.000 Menschen arbeiten auf dem Frankfurter Flughafen, 19.000 von ihnen bei der Betreibergesellschaft Fraport - und 200 von denen wiederum wollen nun ihre Forderungen durchsetzen. Es handelt sich um die Vorfeldkontrolleure, die Mitarbeiter der Vorfeldaufsicht sowie die der Verkehrszentrale. Vorfeldkontrolleure sitzen in einem Tower, sie übernehmen ein Flugzeug nach der Landung von der Flugsicherung und lotsen es zu seiner Parkposition.

Zur Vorfeldaufsicht wiederum gehören die Mitarbeiter, die in "Follow-me"-Fahrzeugen den Flugzeugen vorausfahren. Außerdem fahren sie die Start- und Landebahnen zur Kontrolle ab. Die Mitarbeiter der Verkehrszentrale sind Disponenten: Sie planen, welche Maschine jeweils welches Gate bekommt.

Was fordert die Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF)?

Die GdF will außerordentlich hohe Zuwächse bei den Gehältern durchsetzen. Ein Vorfeldkontrolleur soll künftig 79.600 statt 53.000 Euro im Jahr erhalten, ein Disponent soll statt 41.700 auf 54.100 Euro und ein Vorfeldaufseher ebenfalls auf diesen Betrag kommen, nach 37.200 Euro bisher. Das sind Steigerungen zwischen 30 und 47 Prozent.

Wer das für exorbitant hoch hält, dem entgegnet die GdF: Es handele sich eben um eine "gut aufgestellte" Beschäftigtengruppe (Will sagen: Deren Mitglieder sind fast alle in der GdF). Und ihre Jobs bedeuteten viel Stress und hohe Verantwortung. Die meisten Flugzeugunfälle passierten auf dem Vorfeld, nicht in der Luft.

Außerdem beruft sich die Gewerkschaft auf einen Deal mit Fraport: Sie stimmte der Ausgliederung der Vorfeldbeschäftigten in eine eigene GmbH zu - mit allen Risiken, die derlei langfristig für die 200 Beschäftigten haben kann. Dies will sie mit Geld gewürdigt sehen.

Haben die Konfliktparteien Hilfe bei einem Schlichter gesucht?

Ja, der frühere Erste Bürgermeister von Hamburg, Ole von Beust (CDU), hat im Januar fast drei Wochen lang mit beiden Seiten verhandelt. Einig wurde man sich nicht, also legte Beust am 3. Februar seine Schlichterempfehlung vor. Diese lag relativ nahe an den Forderungen der GdF. Im Fall des Vorfeldkontrolleurs akzeptierte Beust deren Forderung; nur das Urlaubs- und Weihnachtsgeld kürzte er von 110 auf 100 Prozent eines Monatsgehalts. Dem Disponenten billigte er zwar nicht die geforderten 54.100 Euro, wohl aber 50.500 Euro zu, was immer noch ein Plus von 21 Prozent bedeutet. Der Vorfeldaufseher sollte etwas weniger bekommen: 46.460 Euro. Allerdings sah Beusts Spruch vor, die Gehaltserhöhungen bis 2014 zu strecken - und bis Ende 2015 wollte der Schlichter Ruhe und Frieden garantieren. So lange sollte der Tarifvertrag laufen. Die GdF hat der Empfehlung zugestimmt, Fraport lehnte sie ab.

Warum lehnt die Fraport den Schlichterspruch ab?

Das Unternehmen sagt, die Schlichterempfehlung würde das Gehaltsgefüge durcheinanderbringen. Ein Disponent in der Verkehrszentrale mache schließlich nichts wesentlich anderes als ein Disponent im Terminal: Der eine weise Flugzeugen ihr Gate zu, der andere Mitarbeitern ihren Check-in-Schalter. Und warum solle letzterer künftig fast ein Drittel weniger verdienen als ersterer? Außerdem handele es sich bei den Tätigkeiten der Streikenden nicht um Ausbildungs-, sondern um Anlernberufe. Formale Voraussetzung: Schulabschluss (egal, welcher), Englischkenntnisse. Mehr nicht.

Kann die Fraport den Streik nicht verbieten lassen?

Das ist das Erstaunliche an dieser Auseinandersetzung: Arbeitgeber- und Industrieverbände rufen die Politik seit Tagen dazu auf, per Gesetz das Prinzip "Ein Betrieb, ein Tarifvertrag" festzuschreiben - um den gut organisierten Vorfeld-Mitarbeitern die Möglichkeit zu einem eigenen Tarifvertrag zu nehmen. Es ist der Ruf nach langfristiger Hilfe durch die Politik, dabei könnten die Arbeitgeber kurzfristig selber etwas tun: nämlich versuchen, den Streik beim Arbeitsgericht für "unverhältnismäßig" erklären zu lassen. Warum verzichtet Fraport darauf? "Wir behalten uns eine Prüfung dieses Schritts vor", heißt es dazu nur.

Warum fanden am Montag trotzdem 70 Prozent aller Flüge statt?

Fraport hat improvisiert.Es wurden Mitarbeiter aufs Vorfeld geschickt, die zwar einen Job anderswo auf dem Flughafen haben, früher aber mal auf dem Vorfeld arbeiteten. Ferner werden Mitarbeiter in Schnellkursen geschult - und Streikbrecher von anderen Flughäfen, zum Beispiel Zürich, nach Frankfurt gebracht.

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SZ vom 21.02.2012/fran/grc
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