Süddeutsche Zeitung

Los Angeles:Elon Musk gräbt einen Tunnel unter L.A. - auf eigene Faust

Zuvor schrieb der Milliardär auf Twitter: "Dieser Verkehr regt mich auf. Ich konstruiere einen Tunnelbohrer und beginne zu buddeln."

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Völlig unrealistisch. So ist diese erste Szene im wunderbaren Film "La La Land", in der Autofahrer im Verkehrschaos von Los Angeles fröhlich singen und tanzen. Wer jemals auf dieser monströsen Rampe zwischen den Freeways 105 und 110 gewartet hat, der weiß, dass so ein Stau nur mit der Geduld eines buddhistischen Mönchs ohne bleibende psychische Schäden zu überstehen ist. Geduld gehört aber nun wahrlich nicht zu den Tugenden von Elon Musk. Der Milliardär schrieb bereits im Dezember bei Twitter: "Dieser Verkehr regt mich auf. Ich konstruiere einen Tunnelbohrer und beginne zu buddeln."

Auch das klingt völlig unrealistisch, so wie zahlreiche Visionen von Musk erst einmal völlig durchgeknallt wirken. Bei näherer Betrachtung allerdings lässt sich ein libertärer Faden erkennen, durch den der Umweltschützer Musk plötzlich zu einem Verbündeten von US-Präsident Donald Trump wird. Denn Musks Motto lautet: "Wenn der Staat das nicht schafft, dann mache es eben selbst!"

Die Weltraumbehörde Nasa baut keine recycelbaren Raketen? Also übernimmt es Musk mit seiner Firma SpaceX. Wenn es nicht gelingt, eine Energiewende über Gesetze herbeizuführen, dann versucht es Musk mit der Elektroautofirma Tesla und dem Solarstromanbieter Solar City. Und wenn die Stadtverwaltung von Los Angeles das Verkehrsproblem nicht in den Griff bekommt? Dann baut Musk eben ein Tunnelsystem.

"Wir werden noch heute Nacht damit beginnen, einen Tunnel zu graben"

Musk ist beileibe nicht der Einzige, der Ideen entwickelt, um dem wahnwitzigen Verkehr in Los Angeles zu begegnen: ein Straßennetz nur für Busse, Schienenverkehr auf Plattformen über den Straßen, Fähren im Pazifik. All diese Projekte wurden bislang als völlig unrealistisch abgelehnt oder scheiterten an bürokratischen Hürden und den immensen Summen, die solche Vorhaben kosten würden.

Musk jedoch besitzt noch eine Eigenschaft, die der neue US-Präsident überaus zu schätzen weiß: Er redet nicht nur so daher, er macht einfach mal - ohne Rücksicht darauf, was andere davon halten. Am Wochenende veranstaltete Musk auf dem Firmengelände von SpaceX in Los Angeles einen Wettbewerb für Nachwuchsingenieure, die sich mit dem Hochgeschwindigkeitszug Hyperloop beschäftigen. Auf Twitter schrieb er dazu: "Es gibt erstaunliche Fortschritte beim Tunnelprojekt. Wir werden noch heute Nacht damit beginnen, einen Tunnel zu graben." Er meint das offensichtlich ernst, aus einem englischen Wortspiel mit den Begriffen "langweilig" und "Bohrer" hat er bereits einen möglichen Firmennamen kreiert: The Boring Company.

Musk ist ein Meister der Kunst, sich mit scheinbar wahnwitzigen Visionen das Gehör der Öffentlichkeit zu verschaffen und sich dann über das Versprechen auf eine schönere und bessere Welt die (vor allem finanzielle) Unterstützung von Politikern zu sichern. Vor einigen Tagen hat er sich erneut mit Präsident Trump getroffen. Die Ablehnung des Staats als Akteur und die Realisierung von Visionen in den Vereinigten Staaten, das ist der gemeinsame Nenner, auf die sich Trump und Musk durchaus einigen können. Vor der Wahl hatte Musk den Kandidaten Trump zwar noch als ungeeignet abgelehnt, nun scheint eine enge Zusammenarbeit der beiden: ziemlich realistisch.

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SZ vom 30.01.2017/kjan
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