Lokführer sagen Streik ab:Angst vor wütenden Bahnkunden

Nun also doch kein Streik: Die Lokführer haben ihren für Montag in Aussicht gestellten Protest abgesagt - aus Furcht vor aufgebrachten Reisenden.

Detlef Esslinger und Sibylle Haas

GDL-Vize Claus Weselsky sagte der Süddeutschen Zeitung, man wolle Rücksicht auf die vielen Wochenend-Pendler nehmen. Die Bahn drohte erneut damit, Gerichte einzuschalten.

Die Gewerkschaft hatte in der vergangenen Woche Streiks für den heutigen Montag sowie für Dienstag und Mittwoch angedroht. In einem Interview mit dem Berliner Tagesspiegel hatte Weselsky jedoch am Samstag hinzugefügt, bei der Entscheidung über die Streiktage werde die GDL intensiv auf das öffentliche Meinungsbild schauen. Nachdem sie am Sonntag die von ihr selbst gesetzte Frist um 16 Uhr hatte verstreichen lassen, ohne Streiks für Montag anzukündigen, sagte Weselsky der SZ: "Wir haben mit den bisherigen Streiks die Nahverkehrskunden bereits ein Stück weit verärgert. Daher wollten wir Rücksicht auf die große Zahl der Wochenendpendler nehmen."

Kunden haben den höheren Schaden

Viele Menschen, die zu Wochenbeginn von ihrem Wohn- zum Arbeitsort pendelten, seien auf den Nahverkehr angewiesen. Die Streiks im Nahverkehr gelten bei der Gewerkschaft ohnehin als heikel, weil sie damit die Fahrgäste stärker als die Bahn trifft: Jahres- und Monatskarten werden im Voraus bezahlt, den wirtschaftlichen Schaden haben eher Kunden als das Unternehmen.

Weselsky erklärte, der Verzicht auf den Streik habe nichts mit dem Termin beim Sächsischen Landesarbeitsgericht zu tun, das diese Woche über Berufungen sowohl der GDL wie der Bahn gegen eine einstweilige Verfügung des Arbeitsgerichts Chemnitz verhandelt. Das Gericht hatte der GDL Streiks im Güter- und Fernverkehr untersagt, im Nahverkehr jedoch zugestanden - mit der Begründung, der Arbeitskampf wäre sonst "unverhältnismäßig". In der Berufung will die GDL erreichen, dass sie auch im Güter- und Fernverkehr streiken darf, um der Bahn empfindliche Schäden zufügen zu können. Weselsky sagte, er gehe "recht guter Dinge" in den Termin. Die schriftliche Begründung des Arbeitsgerichts habe sich "zu 90 Prozent" mit den GDL-Argumenten gedeckt.

Bund soll sich nicht einmischen

Die Bahn hingegen will erreichen, dass der GDL auch die Streiks im Nahverkehr verboten werden. Personalvorstand Margret Suckale sagte der Süddeutschen Zeitung, sie sei dagegen, dass der Bund in den Tarifkonflikt eingreife. "Sollte sich aber die GDL-Führung weiterhin Verhandlungen verweigern, müssen wir die Gerichte einschalten." Ihr Gegenspieler Weselsky räumte ein, vor dem Landesarbeitsgericht gehe es "um hopp oder topp".

Suckale sprach sich weiterhin gegen einen Tarifvertrag für die Lokführer aus, der sich nicht widerspruchsfrei in das gesamte Tarifwerk des Konzerns füge. "Viele Leute haben eine falsche Vorstellung von dem, was ein Lokführer können muss." Sie seien sehr wichtig, hätten aber keine herausgehobene Stellung. Es gebe andere Berufsgruppen bei der Bahn, die "weit höher" qualifiziert seien. "Wenn die Ingenieure, die sich um die technischen Anlagen kümmern, streiken, dann geht nichts mehr."

Gespräche zwischen Bahn und GDL gibt es derzeit offenbar nicht. Zwar diskutierte Weselsky am Samstag mit dem Verhandlungsführer der Bahn, Werner Bayreuther, allerdings nur in einer Talkshow des Radiosenders Antenne Bayern. Weitere Kontakte gibt es nach Angaben Weselskys derzeit keine.

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