Lohnentwicklung:Löhne steigen nur minimal

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Die Rechnung ist einfach: Niedrige Löhne gleich sinkende Kaufkraft gleich schwache Konjunktur. Ökonomen warnen schon vor langfristigen Schäden.

Sibylle Haas

Die deutschen Arbeitnehmer müssen mit geringen Lohnerhöhungen leben. Davon geht der Finanzplan der Bundesregierung bis 2013 aus. Demnach werden die Löhne nur um durchschnittlich ein Prozent im Jahr wachsen. Experten warnen davor, die Wirtschaftskrise zu missbrauchen. Niedrige Löhne schwächten die Kaufkraft.

Wegen der Wirtschaftskrise gibt es auf absehbare Zeit nur geringe Lohnsteigerungen. (Foto: Foto: ddp und SZ-Graphik)

Der Konjunkturexperte des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Alfred Boss, schätzt die Lage ähnlich ein wie die Regierung. Wegen der Wirtschaftskrise sieht er "auf absehbare Zeit nur sehr bescheidene Lohnsteigerungen". Vor allem im öffentlichen Sektor würden die Einkommen wegen der hohen Staatsschulden kaum steigen können, sagt Boss.

Unzufrieden mit der Entwicklung ist Gustav Adolf Horn, Direktor des IMK-Instituts in der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung in Düsseldorf. "Die Zahl von ein Prozent ist keine Prognose", sagt Horn. Den geringen Lohnzuwachs, den die Bundesregierung für die nächsten vier Jahre veranschlagt hat, hält er für "strategisch motiviert". Immerhin stünden die nächsten Tarifverhandlungen der Länder an und angesichts der Flaute in den Haushaltskassen gebe es nichts zu verteilen. "Hier wird vorgesorgt", meint Horn.

Warnung der Ökonomen

Der Wissenschaftler warnte davor, die Rezession zu Lasten der Arbeitnehmer zu missbrauchen. Lohnverzicht sei Gift. "Wir dürfen nicht in die Falle laufen, in die wir bei der letzten Krise getappt sind. Damals sind die Einkommen gesunken. Das hat den Konsum geschwächt", betont Horn. Die Binnenwirtschaft könne nur gestärkt werden, wenn Lohnzuwächse an die Produktivität der Beschäftigten gekoppelt würden. Horn rechnet dennoch mit schwierigen Tarifrunden. Die Rezession und die höhere Arbeitslosigkeit schwächten die Gewerkschaften.

Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln hält angesichts der Wirtschaftskrise eine moderate Einkommensentwicklung sogar für unabdingbar. "Die Arbeitnehmer müssen sich auf geringere Lohnsteigerungen einstellen", sagt IW-Tarifexperte Hagen Lesch. "Gute Tarifabschlüsse, wie es sie in diesem und im vorigen Jahr gab, kommen so schnell nicht wieder", meint er. In den nächsten zwei bis drei Jahren werde es für die Arbeitnehmer schlechter werden.

Im vorigen Jahr waren die Tariflöhne in Deutschland erstmals seit fünf Jahren stärker gestiegen als die Inflation. Nach Berechnungen der Hans-Böckler-Stiftung legten die Tarifeinkommen um 2,9 Prozent zu, während die Inflation um 2,6 Prozent stieg. Damit blieb den Tarifangestellten immerhin ein kleines Reallohnplus von 0,3 Prozent übrig.

In diesem Jahr könnten die Arbeitnehmer von der niedrigen oder kaum mehr vorhandenen Inflation profitieren. Damit könnte vielen von einer Lohnerhöhung real mehr übrig bleiben. Allein im ersten Halbjahr legten die tariflichen Einkommen um durchschnittlich drei Prozent zu, wie die jüngste Berechnung der Hans-Böckler-Stiftung weiter zeigt. Hagen Lesch vom IW sagt deshalb: "Ein niedriger Anstieg der Nominallöhne bedeutet nicht automatisch, dass real nichts übrig bleibt".

Geschwächte Gewerkschaften

Moderate Lohnerhöhungen seien überdies nicht so ungewöhnlich, sagt Lesch. Schon von 2004 bis 2007 seien die jährlichen Tarifverdienste nur um etwa ein Prozent gestiegen. "Die hohe Arbeitslosigkeit hat dazu geführt, dass die Gewerkschaften nicht so durchsetzungsstark waren. Sie legten den Schwerpunkt auf die Beschäftigungssicherung", sagt Lesch. Dies könnte aus seiner Sicht auch in den nächsten Jahren wieder so sein. Nach einer Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin sind die Reallöhne in Deutschland in den jüngsten Boomjahren 2004 bis 2008 zurückgegangen. Damit haben die Arbeitnehmer schon in dem vergangenen Aufschwung nichts gehabt. Das war einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik.

Wie sich die Lohnentwicklung im Geldbeutel der Beschäftigten auswirkt, ist auch eine Frage der Kurzarbeit. Die Bundesagentur für Arbeit schätzt, dass gut 1,5 Millionen Beschäftigte aus konjunkturellen Gründen die Arbeitszeit verkürzen mussten. Damit reagieren die Unternehmen auf die schlechte Auftragslage. Laut DIW-Experte Karl Brenke werden in diesem Jahr die Reallöhne "nur für diejenigen steigen, die keine Abstriche bei der Arbeitszeit hinnehmen müssen. Kurzarbeiter schnitten damit also schlechter ab, bestätigt auch Hagen Lesch vom IW.

© SZ vom 26.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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