Lohndumping:Die Bahn kann auch billig sein

Sieben-Tage-Woche? Doppelschichten? Stundenlohn von 1,50 Euro? Bei der Bahn kommt das alles vor - behauptet das "Schwarzbuch Deutsche Bahn". Das Unternehmen wiegelt ab.

Dumpinglöhne bei Subunternehmen der Deutschen Bahn sind offenbar kein Einzelfall.

Bahn, ddp

Bei Ausschreibungen erhält die billigste Firma den Zuschlag. Das führt zu Lohndumping - möglicherweise auch bei der Deutschen Bahn.

(Foto: Foto: ddp)

Bei Ausschreibungen erhalte häufig die billigste Firma den Zuschlag, was zu Lohndumping, illegalen Beschäftigungsverhältnissen und Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz führe, heißt es in dem "Schwarzbuch Deutsche Bahn", das am Montag erscheint.

Die Deutsche Bahn missbilligte am Sonntag gleichwohl ausdrücklich den Einsatz von Billiglohnkräften.

Laut dem neuen "Schwarzbuch" über die Bahn werden vor allem im Gleisbau Arbeiter aus Osteuropa ohne entsprechende Ausbildung eingesetzt. Dabei würden Arbeitszeiten erheblich überschritten. Die Mitarbeiter arbeiteten teilweise monatelang täglich elf Stunden an sieben Tagen in der Woche.

Verbotene Doppelschichten würden nicht in die Arbeitsbücher eingetragen. In anonymisierter Form werden im "Schwarzbuch" drei Beispiele von Firmen genannt, die Stundenlöhne von 1,50 bis 6,50 Euro gezahlt hätten.

"Es gibt keine Streichliste"

Die Autoren des "Schwarzbuchs", die ZDF-Journalisten Christian Esser und Astrid Randerath, berufen sich auf Recherchen des gewerkschaftsnahen Vereins Mobifair, der sich für faire Arbeitsbedingungen in der Verkehrsbranche einsetzt.

Erst am Samstag hatte die Deutsche Bahn eingeräumt, dass für das Schneeräumen an Gleisen und Bahnhöfen in diesem Winter osteuropäische Billigarbeiter eingesetzt worden seien.

Der Konzern bestätigte damit einen Bericht der Süddeutschen Zeitung. Mit dem Winterdienst sei eine externe Firma beauftragt worden, die wiederum ein Subunternehmen eingesetzt habe, sagte ein Bahnsprecher. Dort habe es dann Verstöße gegen Sicherheitsvorschriften gegeben sowie gegen das Arbeitnehmer-Entsendegesetz, das Mindestlöhne in verschiedenen Branchen festschreibt. Inzwischen habe man sich von dem beanstandeten Subunternehmer getrennt.

"Die Einhaltung von Arbeitsgesetzen und Sicherheitsvorschriften ist Bestandteil der Verträge mit Subunternehmen", betonte Bahn-Technikvorstand Volker Kefer in einer Mitteilung. "Falls bei Vertragsunternehmen Verstöße festgestellt werden, kündigen wir den betroffenen Unternehmen und stellen Strafanzeige."

Für das vergangene Jahr geht Bahnchef Grube von einem Betriebsergebnis von deutlich über einer Milliarde Euro aus. Allein das Sparprogramm "React 2009" habe das Konzernergebnis um 600 Millionen Euro verbessert. Auch im Güterverkehr, der im vergangenen Jahr um 22 Prozent einbrach, habe man den Tiefpunkt überwunden.

Vor diesem Hintergrund stellte Grube Milliardeninvestitionen für neue Züge in Aussicht. "Bei der Ausschreibung von 300 neuen ICE-Zügen im Wert von fünf bis sechs Milliarden Euro wird Qualität ein zentraler Punkt sein", versicherte der Bahnchef. Die Entscheidung für den Auftrag falle noch in diesem Sommer.

Allerdings stellt die Bahn gleichzeitig einem Medienbericht zufolge wegen der staatlichen Finanznot mehrere wichtige Schienenprojekte auf den Prüfstand. Von der Streichliste stark betroffen sind Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hessen, Rheinland- Pfalz und Schleswig-Holstein, berichtete die Stuttgarter Zeitung .

Sie beruft sich auf ein internes Papier des Unternehmens, das ihr vorliege. Ein Bahnsprecher sagte jedoch: "Es gibt bei der Bahn keine Streichliste." Er fügte hinzu: "Fakt ist, dass wir in den nächsten Jahren ganz erheblichen Investitionsbedarf im Netz der DB sehen. Darin sind wir uns mit dem Bundesverkehrsministerium einig."

Dem Zeitungsbericht zufolge könnte in Bayern die Ausbaustrecke München-Freilassing und die Ausbaustrecke München-Lindau-Österreich kippen. Im Südwesten besteht demnach für die Ausbaustrecke Ulm-Friedrichshafen-Lindau bis 2025 "keine Realisierungschance". Falls der Bund den Verkehrsetat kürzt, könnte sich zudem der Ausbau der Rheintalschiene für den Güterverkehr auf unbestimmte Zeit verzögern.

Die vertrauliche Streichliste stamme aus der Abteilung Infrastrukturplanung der Bahn, hieß es. Sie wurde nach Informationen des Blattes für ein Spitzengespräch von Bahnchef Rüdiger Grube mit dem neuen Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) zusammengestellt, das Ende November stattfand.

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