Süddeutsche Zeitung

Logistik:Kofferraum auf, Paket rein, Kofferraum zu

  • Die Deutsche Post und die Automarke Smart kooperieren ab September in sechs Städten, um Pakete direkt in den Wagen zuzustellen.
  • Die Lieferung soll dann im Kofferraum des geparkten Autos abgelegt und Retouren mitgenommen werden.
  • Interessierte können bei Smart bewerben - der Hersteller übernimmt dann auch den nötigen Umbau.

Von Varinia Bernau, Düsseldorf

Es gab mal eine Zeit, da waren Kraftfahrzeuge dazu da, einen irgendwohin zu bringen. Dann wurden sie zu einem rollendem Wohnzimmer, in das sich ein Film oder ein Fußballspiel streamen lässt. Nun sollen Autos also auch noch als Briefkasten dienen.

Von Herbst an können das zumindest jene Leute mal ausprobieren, die einen Smart besitzen und in Stuttgart wohnen. Sie können sich im Internet bestellte Sachen ins eigene Auto liefern lassen. Erste Versuche dazu hat Volvo schon in Schweden gestartet; in Wien hat die dortige Post probeweise Pakete an drei verschiedene Fahrzeuge zugestellt; in München haben sich Amazon, Audi und die Deutsche Post zu Testzwecken zusammengetan. Doch der Versuch, den Smart im September gemeinsam mit DHL, dem Paketdienst der Deutschen Post, startet, ist der größte, den es bislang in Deutschland gab: Auf sechs weitere Städte, darunter Berlin und Köln, soll er in den nächsten Monaten ausgeweitet werden.

Das Auto als erweiterter Briefkasten

Dabei setzt Smart eine ähnliche Technologie ein wie bei seinem Carsharing-Dienst Car2go. Dort lassen sich inzwischen fast alle Autos per Smartphone öffnen. Um den eigenen Wagen nun als erweiterten Briefkasten zu nutzen, muss man sich ebenfalls eine spezielle App herunterladen. Damit lässt sich schon bei der Bestellung im Netz eine einmal gültige Transaktionsnummer (Tan) generieren, die man beim Online-Shop im "c/o"-Feld seiner Adresse eingibt. Noch steht nicht fest, welche Internethändler bei dem Test dabei sind.

Auch der Paketbote wird per App informiert. Über die Tan kann er das Fahrzeug orten und öffnen. Praktischerweise kann er in dem Kofferraum dann nicht nur ein Paket deponieren, sondern auch gleich Retouren wieder mitnehmen. Um es sich bei dem groß angelegten Test nicht schwerer als nötig zu machen, will DHL nur zwischen 23 Uhr abends und fünf Uhr morgens an die Smarts zustellen. In welcher Nacht das Paket kommt, erfährt der Kunde mit der Versandbestätigung. Sobald der Bote den Kofferraumdeckel fallen lässt, erlischt seine Zugangsberechtigung. Der Kunde erhält anschließend eine Nachricht, dass es mit der Zustellung geklappt hat. Ein wenig aber muss er dem Paketboten bei diesen Versuchen dann doch entgegenkommen: Er darf sein Auto nicht weiter als 300 Meter entfernt von seiner Adresse parken. Wer am Test teilnehmen will, kann sich bei Smart im Netz bewerben: Der Hersteller übernimmt die Kosten, um den Wagen aufzurüsten.

Was, wenn der Bote das Auto nicht findet?

Umfragen zufolge ist zwar jeder Zehnte bereit, seinen Kofferraum als Briefkasten zu nutzen. Aber gilt das auch in der Praxis, wenn er von der Arbeit kommt und partout keinen Parkplatz vor der Haustür findet? Wie gut findet der Paketbote tatsächlich das geparkte Auto, wenn Straßenschluchten das dafür notwendige GPS-Signal abschirmen? Und was, wenn der Kunde das Auto just dann seiner eigentlichen Bestimmung zuführt und eine kleine Tour macht, wenn das bestellte Paar Schuhe geliefert werden soll?

Für Autohersteller wie Zustelldienste sind Antworten auf solche Fragen viel wert. Die einen wissen, dass die Leute zunehmend die Lust verlieren, sich einfach nur ein Auto zu kaufen. Die anderen müssen sich auf immer mehr Post einstellen: Bis zum Jahr 2020 werde die Menge an im Netz georderten Pakete um fünf bis sieben Prozent wachsen, schätzen sie bei DHL. Je besser es bei der Zustellung klappt, desto mehr spart der Konzern an zusätzlichen Fahrten.

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SZ vom 26.07.2016/sry
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