Loge zu verkaufen:3600 Euro für ein Ticket

Last Night of the Proms at the Royal Albert Hall

Gäste amüsieren sich in einer Loge der Royal Albert Hall beim alljährlichen Konzert "Last Night of the Proms".

(Foto: Will Oliver/dpa)

Eine Loge in der Royal Albert Hall kann man für drei Millionen Euro kaufen - und die Karten dann mit hohem Aufschlag verticken.

Von Björn Finke, London

Am Donnerstag beginnt hier das Gastspiel der Akrobatentruppe Cirque du Soleil. In den kommenden Wochen treten unter anderem der Pianist Lang Lang und - für Nostalgiker - die Bands The Who und Pet Shop Boys auf. Die Royal Albert Hall ist einer der wichtigsten und beeindruckendsten Veranstaltungssäle Großbritanniens. Der 1871 eröffnete Kuppelbau direkt am Hyde Park in London bietet Raum für 5272 Sitzplätze. Höhepunkt des Jahres ist stets die "Last Night of the Proms", ein patriotisches, aber angenehm unernstes Musikspektakel im September.

Tickets dafür sind kaum zu bekommen. Abhilfe liefert ein Angebot von Harrods Estates, der Maklertochter des Luxuskaufhauses. Die Makler suchen einen neuen Besitzer für eine Loge mit zwölf Plätzen. Für Loge 35, auf der Westseite des riesigen Saals, fordern sie umgerechnet drei Millionen Euro - ein Rekordpreis für eine Loge in der Halle. Dafür sei der Blick auf die Bühne außergewöhnlich gut, und die Bars und Restaurants der Halle befänden sich in bequemer Nähe, wirbt die Broschüre. Der Verkäufer wird nicht genannt.

Insgesamt 1276 Sitzplätze, etwa ein Viertel, sind das Eigentum von Privatleuten oder Unternehmen. Auch der Queen gehört eine Loge. Die Plätze können vererbt oder verkauft werden. Wer so einen Sessel - oder gleich eine ganze Loge - besitzt, darf von dort aus in jedem Jahr zwei Dritteln aller Konzerte lauschen. Bei einem Drittel der Veranstaltungen verkauft das Hallenmanagement Tickets für die Sessel an die Allgemeinheit.

Wollen Platzbesitzer eine jener Vorstellungen, bei der sie dabei sein dürfen, nicht besuchen, können sie ihr Ticket weiterverkaufen. Das ist sehr lukrativ. So bieten Platzeigner Karten für die Last Night of the Proms für umgerechnet 3600 Euro an. Sogar Tickets für Wohltätigkeitskonzerte verkauften Platzbesitzer mit einem kräftigen Aufschlag. Das ist legal, bringt der Royal Albert Hall aber immer wieder Kritik ein. Schließlich profitiert der Veranstaltungssaal von Steuervergünstigungen, weil er als gemeinnützig gilt. Zudem erhielt die Halle Millionen an Fördergeldern von der staatlichen Lotterie. Dass ein Viertel der Plätze Privatbesitz ist und für höchst profitable Weiterverkäufe genutzt wird, passt nicht so recht zum wohltätig-kunstsinnigen Image. Das findet inzwischen auch die Charity Commission, die Stiftungsaufsicht. Die Behörde untersucht die Vorgänge. Den Kontrolleuren missfällt besonders, dass die Platzbesitzer die Mehrheit im Entscheidungsgremium der Royal Albert Hall stellen. Dadurch hätten Platzbesitzer mit ihren wirtschaftlichen Interessen zu viel Einfluss auf die Führung des gemeinnützigen Veranstaltungsorts, klagt die Behörde.

Auch die Werbebroschüre für Loge 35 weist darauf hin, dass der Käufer automatisch Mitglied in der "Corporation of the Hall of Arts and Sciences" wird, jener Vereinigung, die über die Geschicke des Kuppelsaals bestimmt. Central Hall of Arts and Sciences, also Zentrale Halle der Künste und Wissenschaften, ist der Name, den der Saal ursprünglich tragen sollte. Doch Königin Victoria benannte den Bau lieber nach ihrem verstorbenen Gatten, Prinz Albert.

Um das Geld für das ehrgeizige Projekt zusammenzubekommen, wurden einige der Sitze und Logen vorab an Musikliebhaber verkauft. Diese Plätze sind es nun, die weiterhin Privatbesitz sind und zu Kontroversen führen. Interessenten scheint das nicht abzuschrecken. Harrods-Estates-Makler Nicholas Shaw berichtet über rege Nachfrage nach Loge 35.

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