Süddeutsche Zeitung

Lobbyismus:Insiderwissen

Adam Farkas ist Geschäftsführer der Europäischen Bankenaufsicht Eba, ein mächtiger Mann. Nun soll er Chef eines Lobby-Verbandes werden, über den Versicherer, Banken und Finanzfirmen ihre Interessen durchsetzen - für manche ein Unding.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Die breite Öffentlichkeit mag von Adam Farkas noch nicht oft gehört haben. Doch als Geschäftsführer der Europäischen Bankenaufsicht (Eba) ist er seit 2011 ein mächtiger Mann. Der ungarische Ökonom hat tiefen Einblick gewonnen in den europäischen Bankensektor und weiß, wie Europas Finanzaufsichtsbehörden ticken. Das sind nützliche Erfahrungen, die er einem Bericht des Nachrichtenkanals Sky News zufolge nun auf der anderen Seite einbringen möchte. Farkas plant einen Wechsel in den Lobbyismus, als Chef der Association for Financial Markets in Europe (AFME). In dem Verband bündeln Versicherer wie Allianz, Finanzinstitute wie die Deutsche Bank und Vermögensverwalter wie Blackrock ihre Lobby-Kräfte.

Farkas muss sofort den Zugang zu sensiblen Daten verlieren, fordert Grünen-Politiker Giegold

Der Wechsel von einem öffentlichen Amt ins Privatgeschäft kann Interessenskonflikte bergen, wenn er sich im selben Wirtschaftssektor abspielt. Farkas hat den Posten bei der Eba seit deren Gründungsjahr 2011 inne. Die Behörde, die vor Kurzem von London nach Paris umgezogen ist, erstellt europäische Regeln für die Bankenaufsicht und überwacht deren Einhaltung - im Interesse der Allgemeinheit. Lobbyverbände folgen dem Eigeninteresse, was zuvörderst darauf zielt, die Regulierungswünsche der Politik umzulenken. Farkas könnte sein Insiderwissen über die Bankenaufsicht nun mit der Finanzbranche teilen.

Die Risiken dieses Wissenstransfers werden häufig durch "Cooling-off-Perioden" verringert. Das bedeutet: Zwischen dem Ende der einen und dem Beginn der anderen Tätigkeit müssen einige Monate oder Jahre liegen. Doch für die Eba gibt es keine solche Regel. Dort entscheidet der Eba-Rat mit seinen Vertreten aus den Aufsichtsbehörden der 28 Mitgliedsstaaten darüber, ob Farkas eine Auszeit nehmen müsste. "Der Rat der nationalen Bankenaufseher sollte im Fall von Farkas eine Karenzzeit von mindestens 24 Monaten beschließen", fordert Sven Giegold, EU-Parlamentarier der Grünen. Farkas müsse unverzüglich den Zugang zu sensiblen Informationen und Dokumenten verlieren.

Giegold orientiert sich mit seiner Meinung an den Vorschriften für scheidende EU-Kommissare. Sie müssen das Gremium zwei Jahre lang darüber informieren, welchen Job sie annehmen. Lobbyarbeit in Brüssel kann ihnen in dieser Zeit untersagt werden. Die Regeln sind zuletzt verschärft worden, für ausscheidende EU-Kommissionspräsidenten beträgt die Frist jetzt drei Jahre. Es geht auch um die Reputation der Institution. Der langjährige EU-Kommissionschef José Manuel Barroso wechselte 2016, zwei Jahre nach Ende seiner Amtszeit, als Berater zur Investmentbank Goldman Sachs, was für Ärger gesorgt hatte.

Farkas hat bei der Eba noch einen Vertrag bis 2021. Der Ökonom hatte nach dem Studium bei einigen Finanzinstituten gearbeitet, bevor er in die Aufsicht wechselte. Die AFME bestätigte, dass die Gespräche über die Besetzung des neuen Chefpostens bald beendet sein könnten. Die Eba gab keinen Kommentar ab. "Farkas Gang durch die Drehtür beschädigt das Ansehen der Bankenaufsicht massiv", klagt Giegold. Ohne Atempause fließe nun bestes Insiderwissen von der Bankenaufsicht zur Bankenlobby. Farkas erweise der Bankenunion einen Bärendienst, so der EU-Abgeordnete. "Während der Finanzkrise ist viel Vertrauen zerstört worden, jetzt beschädigt Farkas das Vertrauen in eine zentrale Behörde zur Krisenprävention."

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SZ vom 02.09.2019
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