Lobbyismus:Durch die Drehtür

Transparency International fordert strengere Regeln für ehemalige EU-Politiker. Die wechseln nach ihrem Karriereende nur allzu oft ungeniert in die Wirtschaft.

Von Markus Mayr, Brüssel

Transparency International (TI) wirft EU-Politikern Interessenskonflikte vor, die nach ihrem Job in Brüssel schnell in die Wirtschaft wechseln. Einem Bericht der Anti-Lobby-Organisation zufolge arbeiten 30 Prozent der Abgeordneten, die nach der Europawahl 2014 das Parlament verlassen haben, heute für Unternehmen, die im EU-Lobby-Register zu finden sind. Bei den EU-Kommissaren seien es mehr als die Hälfte. Die Autoren bezeichnen das als "höchst beunruhigend" und fordern, die Karenzzeiten zu verlängern, da Interessenskonflikte nicht ausgeschlossen werden könnten.

Die Kommission reagierte auf den am Dienstag vorgestellten Bericht mit dem Verweis auf die bestehenden Verhaltensregeln. "Unsere sind die strengsten, die sie unter nationalen Regierungen finden können", sagte ein Sprecher. Kommissare müssen sich 18 Monate lang gedulden, bis sie in den privaten Sektor wechseln dürfen. Abgeordnete haben indes, anders als ihre Mitarbeiter, nach ihrem Ausscheiden aus dem Parlament gleich die freie Berufswahl, was laut Transparency International ein Unding ist. Die Organisation verweist auf Länder wie Kanada und Frankreich, wo die Lobby-Kontrolle beispielhaft sei. Frankreich hat 2014 eigens eine Behörde geschaffen, die das überwacht und in Kanada haben Politiker nach dem Karriereende ein fünfjähriges Lobby-Verbot. Auch in Brüssel müssten strengere Regeln gelten, so die Forderung. Etliche EU-Politiker würden nach Drehtüren-Prinzip sofort in den privaten Sektor wechseln, kritisiert die Organisation. "Die Drehtüre wurde zum Symbol dafür, wie wirtschaftliche und politische Führungskräfte Hand in Hand gegen das öffentliche Interesse arbeiten", sagte Carl Dolan, Direktor von Transparency International in Brüssel.

Der prominenteste Interessenskonflikt ist der des ehemaligen EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso. Der Portugiese nahm im Sommer 2016 einen Posten im Aufsichtsrat der Investmentbank Goldman Sachs an. Von London aus soll Barroso die Bank durch die Wirren des Brexit navigieren. Barroso hat zwar die vorgeschriebenen 18 Monate gewartet und somit nicht gegen geltendes Recht verstoßen. Trotzdem wirft ihm sein Nachfolger ethisches Fehlverhalten vor. Jean-Claude Juncker erwägt laut seinem Sprecher nun, die Regeln speziell für Kommissionspräsidenten zu verschärfen.

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