Lkw-Kartell:Gericht weist Schadensersatzklage gegen Lkw-Hersteller ab

Iveco LKW

14 Jahre lang sollen die Lastwagenhersteller ihre Verkaufspreise abgesprochen haben. Als das Kartell aufflog, verhängte die EU-Kommission Bußgelder in Höhe von knapp drei Milliarden Euro.

(Foto: dpa)
  • Zwischen 1997 und 2011 sollen die Lastwagenhersteller ihre Verkaufspreise abgesprochen haben.
  • Um angebliche Schadenersatzansprüche von Käufern gegen die Hersteller durchzusetzen, hatte sich extra die Firma "Financialrights Claims" gegründet.
  • Jetzt ist sie zunächst gescheitert - die Klage wurde abgewiesen.

Von Stephan Handel

Einer der größten Zivilprozesse vor dem Landgericht München I hat bereits am zweiten Verhandlungstag mit einem Paukenschlag geendet: Die Kartellkammer des Gerichts wies am Freitag die Klage eines Rechtsdienstleisters gegen das sogenannte "Lkw-Kartell" ab. Das eigens zu diesem Zweck gegründete Unternehmen, "Financialrights Claims" mit Sitz in Düsseldorf hatte angebliche Schadenersatz-Ansprüche gegen die fünf größten europäischen Lkw-Hersteller - Daimler, Volvo, Iveco, MAN und DAF - gesammelt und eingeklagt: etwa 3200 Käufer und 85 000 Kaufvorgänge; die Klagesumme belief sich auf mehr als 600 Millionen Euro.

14 Jahre lang, zwischen 1997 und 2011, sollen die Lkw-Bauer ihre Verkaufspreise abgesprochen haben. Als das Kartell aufflog, verhängte die EU-Kommission im Jahr 2016 Bußgelder in Höhe von 2,93 Milliarden Euro gegen die Unternehmen; allein Daimler musste eine Milliarde Euro bezahlen. Nur MAN, in München ansässig, profitierte von einer Art Kronzeugenregelung und kam ohne Zahlung davon. Nun sind bundesweit eine Vielzahl von Schadenersatz-Verfahren anhängig, weil die damaligen Käufer, darunter viele mittelständische Transportunternehmen und Spediteure, meinen, sie hätten ohne die illegalen Absprachen ihre damals erworbenen Lastwagen billiger bekommen können. Allein die Münchner Kartellkammer bearbeitet mehr als 100 Verfahren.

Für die umfangreichste dieser Klagen warb "Financialright Claims" damit, dass ihre Klienten keinerlei Prozessrisiko zu tragen hätten, nur im Erfolgsfall wären 33 Prozent der erstrittenen Summe als Provision fällig gewesen. Das Landgericht München hat aber nun nach dem Prozessauftakt Ende Oktober 2019 die Klage am Freitag für unzulässig erklärt. Die Kartellkammer stützt ihr Urteil auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom November 2019. Dort hatte der BGH entschieden, dass das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) - auf das sich Firmen wie Financialrights Claims berufen - zwar weit auszulegen sei, dass aber in jedem Einzelfall entschieden werden müsse, ob das jeweilige Angebot dem RDG noch entspricht.

"Von vorneherein nicht auf eine außergerichtliche, sondern ausschließlich auf eine gerichtliche Tätigkeit gerichtet"

Und das tat es im Fall des Düsseldorfer Unternehmens nach Ansicht des Gerichts nicht mehr. Financialrights Claims ist offiziell als Inkassounternehmen eingetragen und unterliegt deshalb dem RDG. Das Urteil rügt aber, dass das Angebot "von vorneherein nicht auf eine außergerichtliche, sondern ausschließlich auf eine gerichtliche Tätigkeit gerichtet" sei: "Damit überschreitet die Klägerin ihre Inkassoerlaubnis." Außerdem sieht das Gericht die Gefahr von Interessenkonflikten der Beteiligten auf der Klägerseite. So seien in der Klage Forderungen mit unterschiedlichen Erfolgsaussichten gebündelt. Wäre es aber im Prozessverlauf zu einem Vergleich gekommen, dann hätten die weniger aussichtsreichen Forderungen die Vergleichssumme gemindert - so dass diejenigen Beteiligten mit guten Chancen am Ende weniger bekommen hätten, als wenn sie alleine geklagt hätten.

Des Weiteren sieht das Gericht ein Problem in der Beteiligung des amerikanischen Prozessfinanziers Burford Capital - er trägt die Verfahrenskosten und hätte im Erfolgsfall an der ausgezahlten Summe partizipiert. Da es sich aber, so das Urteil, dabei "um ein ausländisches Unternehmen mit einer börsennotierten Muttergesellschaft handelt, das unter Beobachtung von Analysten und Presse steht", sei der "Einfluss sachfremder Entscheidungskriterien" nicht auszuschließen.

Das Gericht kommt so zu einem anderen Ergebnis als der BGH in dem Urteil, auf das sich der Münchner Spruch stützt - dort hatte der Rechtsdienstleister gesiegt. Richterin Gesa Lutz sagt aber, der Fall liege anders, denn in dem BGH-Verfahren sei es nicht um eine Sammelklage gegangen.

Gleich nach der Urteilsverkündung sagt Financialrights-Claims-Chef Jan-Eike Andresen, dass nun zu überlegen sei, wie das Verfahren weiterverfolgt werden soll: "Wir können ja auch zehntausende Einzelklagen einreichen." Später teilt das Unternehmen mit, dass Berufung beim Oberlandesgericht eingelegt werden soll. Daimler Trucks erklärt hingegen, die Entscheidung des Gerichts sei "nur konsequent" - zudem müssten eventuelle Kläger im Einzelnen darlegen, ob und wie sie durch die Preisabsprachen überhaupt geschädigt seien: "Das ist sehr aufwendig und wird nach unserer Überzeugung im Ergebnis auch nicht gelingen." Sollten sich an der Klage beteiligte Unternehmen entscheiden, auf eigene Faust zu klagen, könnte zumindest auf einige von ihnen ein neues Problem zukommen: Weil eine unzulässige Klage die Verjährung nicht hemmt, sind vermutlich einige Forderungen mittlerweile verjährt.

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