Lkw-Hersteller:Verdächtige Preise

In Großbritannien ermitteln Kartellwächter wegen verbotener Absprachen gegen mehrere europäische Lkw-Hersteller. Auch zwei deutsche Konzerne sind davon betroffen.

Dagmar Deckstein, Michael Kuntz und Andreas Oldag

Die britische Kartellbehörde Office of Fair Trading (OFT) ermittelt wegen des Verdachts illegaler Preisabsprachen gegen mehrere Lastwagen-Hersteller. Beamte der OFT untersuchten ein Büro von Mercedes-Benz in Milton Keynes nordwestlich von London. Wie es hieß, sei dabei eine Person vorübergehend festgenommen und auf Kaution wieder frei gelassen worden. "Die Untersuchungen sind noch in einem frühen Stadium. Es ist bislang unklar, ob gegen ein Gesetz verstoßen worden ist", erklärte ein Sprecher der Kartellbehörde.

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In Großbritannien ermitteln Kartellwächter wegen verbotener Absprachen gegen mehrere europäische Lkw-Hersteller.

(Foto: ddp)

Die Ermittlungen richten sich auch gegen andere große europäische Lkw-Hersteller, darunter MAN, Scania, Volvo Trucks, Renault Trucks und die zum Fiat-Konzern gehörende Iveco. Bei Verstößen gegen Wettbewerbsregeln können in Großbritannien Strafen von bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes des betreffenden Unternehmens verhängt werden. Verantwortlichen Managern drohen zudem in schweren Fällen Haftstrafen.

Der britische Lkw-Markt hat in der Krise gelitten. Nach Brancheninformationen belief sich der Absatz im vergangenen Jahr auf 27.000 Einheiten. Das ist ein Minus von 1,8 Prozent gegenüber dem vorvergangenen Jahr. In diesem Jahr soll sich der Absatz allerdings wieder erhöhen aufgrund der besseren Konjunkturaussichten.

Der Münchner Nutzfahrzeughersteller MAN, der auch ins Visier der Wettbewerbsbehörde geraten ist, macht ein gutes Zehntel seines Jahresumsatzes von zuletzt 6,4 Milliarden Euro in Großbritannien. Hier konnte MAN vor allem einen Großauftrag über 7200 Fahrzeuge für die britische Armee an Land ziehen. Er kam in den Jahren 2005 und 2006 in zwei Tranchen zustande und hat einen Wert von 1,7 Milliarden Euro. Vor allem in den Werken Kassel und Wien sorgte die Order der Briten für Beschäftigung auch während der weltweiten Absatzkrise im vorigen Jahr.

Für die Herstellung von militärisch genutzten Radfahrzeugen hat MAN erst im Januar ein Gemeinschaftsunternehmen mit der Rüstungsfirma Rheinmetall gegründet, um gemeinsam Transport-, Führungs- und Funktionsfahrzeuge für die internationalen Streitkräfte herzustellen. Der Grund für die Neugründung: MAN verfügte bis dato nicht über die Technologie für eine moderne Panzerung von Fahrerkabinen.

Es gebe kein Indiz, dass der Militärauftrag aus Großbritannien etwas mit der Auskunftsanfrage der britischen Kartellbehörde zu tun habe, heißt es im Umfeld von MAN. "Wir kooperieren voll mit den Behörden", sagte ein Sprecher. Es gelte die Null-Toleranz-Regel für unerlaubtes Handeln, die Compliance-Abteilung sei mit der Angelegenheit befasst. Sie war personell verstärkt und direkt beim Vorstand angesiedelt worden nach der Korruptionsaffäre im vorigen Jahr, in deren Verlauf das Unternehmen 150 Millionen Euro Bußgeld bezahlt hatte.

Eine Nachricht zur Unzeit

Die Nachricht aus England erwischt MAN zur Unzeit. Es war gerade wieder ruhiger geworden um MAN nach den staatsanwaltlichen Ermittlungen. Der Konzern startete eine Imagekampagne, um sein ramponiertes Bild in der Öffentlichkeit zu verbessern. Da passt das Vorgehen der britischen Kartellbehörden kurz vor dem Beginn der Branchenmesse IAA Nutzfahrzeuge nicht zum gerade frisch geläuterten Konzern.

Auch Daimler, dem weltweit größten Nutzfahrzeughersteller, kommen die Nachrichten aus Großbritannien nicht gelegen. Ein Sprecher bestätigte die Durchsuchungen der OFT und teilte mit, dass der Konzern eng mit der Behörde kooperiere. Nachdem Daimler in den letzten Jahren durch Schmiergeldaffären auffällig wurde, hat das Unternehmen seinen Mitarbeitern strenge Verhaltensrichtlinien auferlegt. Das Nutzfahrzeuggeschäft in Großbritannien spielt für Daimler allerdings eine eher untergeordnete Rolle: Von den 259.300 verkauften Lastwagen entfielen 2009 gerade mal 3800 auf den britischen Markt, und damit nur ein Bruchteil des LKW-Umsatzes von 18,4 Milliarden Euro.

Bei der schwedischen VW-Tochter Scania ging laut einem Sprecher ein Brief der britischen Kartellbehörde mit Fragen zu einem möglichen Preiskartell ein. "Wir wissen aber im Einzelnen nicht, um welche Vorwürfe es geht. Natürlich arbeiten wir mit den Behörden zusammen", so der Sprecher. Volvo teilte mit, dass in den britischen Niederlassungen des schwedischen Herstellers und von Renault Briefe der OFT als Teil der Untersuchungen eingegangen seien.

Nach Meinung von Kritikern hat die OFT ihre weitreichenden Kompetenzen, die durch den "Competition Act" aus dem Jahre 1998 und den "Enterprise Act" aus dem Jahre 2002 erheblich gestärkt wurden, in der Praxis aber kaum genutzt. Die Behörde gilt als schwerfällig und ineffizient. Neidvoll schauen Wettbewerbshüter in Großbritannien auf das vergleichsweise erfolgreiche deutsche Bundeskartellamt, aber auch auf die Wettbewerbsabteilung des US-Justizministeriums.

Die OFT hatte vor kurzem eine Untersuchung gegen British-Airways-Manager gestartet, denen Preisabsprachen mit Virgin Atlantic Airways im Zusammenhang überhöhter Treibstoffzuschläge bei Langstreckenflügen vorgeworfen wurde. Die Ermittlungen waren durch einen Kronzeugen von Virgin Atlantic ins Rollen gekommen. Im Mai musste das Strafverfahren aber wegen Pannen bei der OFT eingestellt werden. Kritiker werfen der britischen Kartellbehörde vor, sich allzu rasch auf Kronzeugen zu verlassen, deren angebliche Beweise oftmals nicht viel taugen.

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