Als Quelle von Bodenschätzen ist Bolivien seit Jahrhunderten gefragt, damit allerdings hat das Land im Herzen Südamerikas bisher wenig gute Erfahrungen gemacht. Schon die spanischen Kolonialherren gruben in den Bergen von Potosí nach Silber, die Stollen standen einst sprichwörtlich für den sagenhaften Reichtum aus der Neuen Welt.
Mit dem Edelmetall aus den Anden hätte sich einst eine Brücke über den Atlantik bis in die spanische Stadt Sevilla bauen lassen, hieß es. Doch daran und auch an Gas und Eisenerz verdienten vornehmlich Fremde und eine kleine Minderheit im Land. Die Republik ist heute der ärmste Staat der Region, Potosí wurde zum Symbol der Ausbeutung.
Jetzt interessieren sich wieder einmal Weltfirmen für das geplagte Bolivien, diesmal geht es um einen ebenso alten wie vermeintlich banalen Grundstoff: Salz. Dessen Zusatz soll Autos antreiben und Computer, die Umwelt schützen und die Abhängigkeit vom Erdöl mindern.
Im Salzsee von Uyuni liegen auf 3700 Metern Höhe die mit Abstand größten Vorkommen von Lithium. Das Leichtmetall wurde bis vor einiger Zeit hauptsächlich in kleinen Mengen für Antidepressiva und für die Rüstungsindustrie gebraucht.
Dann kamen moderne Laptops und Neuheiten wie iPod und iPhone, betrieben mit ausdauernden Lithium-Ionen-Batterien. Und nun, so sieht es aus, folgt die Ära der Elektrovehikel, die noch viel leistungsfähigere Akkus dieser Art verlangen. Bei der Frankfurter Automobilmesse stellen gerade wieder alle möglichen Hersteller ihre Alternativen vor, denn den Verbrennungsmotoren geht irgendwann der Sprit aus. Bei der Frage, wo all der Speicherstoff für den benzinlosen Tank künftig herkommen soll, landet die Industrie vorneweg bei diesem "Salar de Uyuni" zwischen Vulkanen im bolivianischen Hochland.
Unter der weißen Oberfläche des größten Salzsees der Welt werden auf 10.000 Quadratkilometern mehr als die Hälfte der globalen Lithium-Reserven vermutet, geschätzte 5,4 Millionen Tonnen, gebunden in der Salzlake. Es folgen mit einigem Abstand Anbieter in Chile, Argentinien und Tibet.
Dies sei "die Weltressource der Zukunft", schwärmt der Berater Oscar Ballivián in La Paz. Bolivien könne das Saudi-Arabien des Alkalimetalls werden, heißt es. Europäische, japanische und US-amerikanische Unternehmen gieren nach dem wüstenartigen Standort, der bisher hauptsächlich Touristen fasziniert.
Allerdings fehlen Straßen, Strom, Technik und Produktionsanlagen; auch hat Bolivien längst seinen Zugang zum Meer verloren. Traditionell graben indianische Salzbauern mit den Händen im gleißenden Licht, begleitet von Lamas und Flamingos. Und zweitens will sich Bolivien dieses weiße Gold nicht genauso billig wegnehmen lassen wie einst das Silber.
Unter Präsident Evo Morales wurden Rohstoffe durch ein Gesetz staatlicher Kontrolle unterstellt, Morales ist Sozialist und der erste indigene Staatschef der Region. In dem Dorf Rio Grande beginnt seine Regierung mit einem bescheidenen Versuch, für sechs Millionen Dollar Lithium zu fördern. Geplant aber sind nun milliardenschwere Großprojekte.
Die Regierung Morales verhandelt mit Konzernen wie Mitsubishi, Sumitomo und Bolloré sowie mit Interessenten aus Iran. Wer fördern darf, muss dies allerdings unter staatlicher Kontrolle tun. Bolivien will lieber fertige Batterien verkaufen, als nur den Rohstoff zu exportieren. Eine historische Chance: Uyuni soll kein Potosí werden.