Handelspolitik:Törichte Litauer

Containerhafen in Shanghai

Containerhafen in Shanghai: China blockiert nun den Handel mit Litauen.

(Foto: dpa)

Die Regierung bittet im Konflikt mit China um die Unterstützung der EU. Brüssel muss diese gewähren - auch wenn Vilnius ausgesprochen egoistisch und anmaßend gehandelt hat.

Kommentar von Björn Finke

Es klingt nach einem Heldenepos, nach David gegen Goliath: Das kleine, demokratische Litauen legt sich mit dem mächtigen China an, der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt, regiert von einer erbarmungslosen Diktatur. Jetzt schlägt Goliath zurück, und David bittet seine Partner in der Europäischen Union um Hilfe. Brüssel darf das nicht verweigern. Zugleich müssen die anderen EU-Regierungen Vilnius jedoch vermitteln, dass das Verhalten töricht und eigensüchtig war. Denn der vermeintliche Held in dieser Geschichte handelt nicht aus Prinzipientreue und Nächstenliebe, sondern kühl kalkuliert und ohne Rücksicht auf seine Verbündeten.

Hinter der Eskalation steht die Entscheidung Litauens, dass Taiwan eine Botschaft in Vilnius eröffnen darf, die "Vertretung Taiwans" heißt und nicht Taipehs. China erkennt Taiwan nicht als Staat an, weswegen die Botschaften sonst immer als Vertretungen Taipehs - das ist der Name der Hauptstadt - firmieren. Die Beziehungen zwischen Litauen und China hatten sich schon vorher verschlechtert. Peking nahm diese Provokation zum Anlass, Litauen aus dem eigenen Zollsystem zu löschen. De facto ist das ein komplettes Handelsembargo.

Es ist klar, dass Europa im Konflikt um Taiwan die Seite der demokratischen Taiwanesen einnehmen muss. Bis zu Litauens Vorstoß war es aber auch klar, dass der Westen Pekings Befindlichkeiten respektiert und Taiwan deshalb nicht Vertretungen unter dem Inselnamen eröffnen lässt. Vilnius hat diesen Konsens aufgekündigt, ohne sich mit den Partnern in der EU abzusprechen. Wer Litauens Regierung das Beste unterstellen will, könnte argumentieren, sie habe eine Art moralischen Zwang gefühlt: Der Völkermord an den Uiguren, die Unterdrückung Hongkongs, die Einschüchterung Taiwans - jemand muss doch ein Zeichen gegen Peking setzen, warum also nicht Litauen? Hier stehe ich, ich kann nicht anders.

Allerdings prescht die Baltenrepublik bei den Beziehungen zu anderen Terrorregimen, etwa in Iran oder Saudi-Arabien, nicht unabgesprochen vor. Dass Litauen ausgerechnet bei Peking auf Konfrontation setzt, dürfte mit Joe Biden zusammenhängen. Der US-Präsident fährt einen harten Kurs gegen China - härter, als es vielen EU-Ländern lieb ist -, und die Regierung in Vilnius kann sich nun als Bruder im Geiste präsentieren. Die osteuropäischen Staaten sehen mit Sorge, dass Washington dem Pazifikraum und dem Gegner China immer mehr Aufmerksamkeit schenkt und Europa und Russland weniger. Die Furcht lautet, dass die USA Truppen wegverlagern könnten, die bisher der Abschreckung Russlands dienen.

Eine Konfrontation mit Peking ist unvermeidbar

Vilnius hat Biden jetzt daran erinnert, dass Litauen ein treuer Verbündeter ist, auf den der Präsident auch bei seinem Lieblingsthema China zählen kann. Das kann einmal nützlich werden. Zugleich sind die wirtschaftlichen Kosten gering. Die Regierung verweist selbst darauf, dass China als Exportmarkt oder als Ursprungsort für Investitionen nahezu unbedeutend ist - ein Riesenunterschied zu anderen EU-Staaten wie Deutschland.

Bequem für Litauen, blöd für die Europäische Union: Schließlich legt der Vorstoß wieder gnadenlos offen, dass der Wirtschaftsblock keine einheitliche Chinapolitik hat. Die EU wird jetzt gegen das Embargo protestieren müssen. Da es gegen die Regeln der Welthandelsorganisation verstößt, sollte Brüssel zudem die WTO einschalten. Ändern wird das vermutlich nichts. Zu hoffen bleibt, dass der Konflikt nicht weiter eskaliert.

Dabei ist völlig unbestritten, dass die EU früher oder später ohnehin härter gegenüber China auftreten muss. Brüssel ist gerade dabei, den Block darauf vorzubereiten. Hier geht es um neue Regeln gegen unfaire Konkurrenz durch Chinas Staatskonzerne, um Instrumente für die Abwehr von Sanktionen, um Konzepte, die Abhängigkeit bei strategisch wichtigen Produkten zu verringern. Ändert sich Chinas Politik nicht grundlegend, wird die EU die Konfrontation suchen müssen. Aber den richtigen Zeitpunkt, das richtige Thema und die richtige Strategie muss die EU gemeinsam bestimmen - und nicht eine kleine Baltenrepublik, die Fleißpunkte bei Mr. Biden sammeln will.

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