Süddeutsche Zeitung

Umfangreicher Stellenabbau:Linde löst Zentrale in München auf

  • Bis Ende Dezember wird Linde die Zentrale in der Münchner Innenstadt auflösen.
  • Die geschätzt rund 250 Beschäftigten ziehen dann an den Linde-Standort Höllriegelskreuth im Süden Münchens um.
  • Vor allem in Deutschland sollen viele Stellen abgebaut werden.

Von Caspar Busse

Wer bislang die Hauptverwaltung von Linde in der Münchner Innenstadt besuchte, dem fiel sofort das riesige Aquarium hinter der Anmeldung auf: Bunte Fische drehen da im Salzwasser ihre Runden, sie wirkten bislang irgendwie beruhigend auf die Besucher. Doch lange wird es den Gaseanbieter und Anlagenbauer samt Fische an diesem Ort, sehr zentral gelegen gleich um die Ecke des Viktualienmarktes, nicht mehr geben. Ende Dezember werde Linde die Zentrale auflösen, teilte ein Sprecher mit. Die Beschäftigten, nach Schätzungen sind es derzeit etwas weniger als 250, ziehen dann an den Linde-Standort Höllriegelskreuth im Süden Münchens um.

Bei der Münchner Traditionsfirma ist viel in Bewegung, seit Linde Ende vergangenen Jahres mit dem US-Konkurrenten Praxair fusioniert hat. Dabei wird nicht nur die Münchner Zentrale aufgegeben, es sollen jetzt auch viele Arbeitsplätze abgebaut werden. Nach Angaben der Gewerkschaft IG Metall werden allein in Deutschland 850 von derzeit 7000 Arbeitsplätzen gestrichen, das wäre mehr als zehn Prozent. Damit sollen die bei dem Zusammenschluss versprochenen Synergien umgesetzt werden, heißt es. Ein Linde-Sprecher gab dazu keinen Kommentar. Schon vor der Fusion mit Praxair hatte Linde die Zahl der Jobs um 975 reduziert. Bis 2021 sind betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen.

In Wirklichkeit sollen die Amerikaner das Sagen haben

Das Zusammengehen von Linde und Praxair war erst im zweiten Anlauf geglückt und hatte für viel Kritik gesorgt, bei Arbeitnehmern, aber auch bei Aktionärsvertretern. Dadurch ist der größte Anbieter von Industriegasen weltweit entstanden. Viele bemängelten jedoch, dass in Wirklichkeit die Amerikaner das Sagen hätten, die Bedeutung der Deutschen rapide abnehme. Chef des neuen Unternehmens, das den Namen Linde trägt, ist der bisherige Praxair-Chef Steve Angel, als Vorsitzender des Verwaltungsrat fungiert der langjährige Linde-Boss Wolfgang Reitzle.

Die IG Metall rügte den geplanten Stellenabbau. "Diese Fusion, die eigentlich eine Übernahme von Linde ist, ist nur für die Aktionäre eine Erfolgsgeschichte. Die Zeche dafür zahlen die Linde-Beschäftigten", kritisierte IG-Metall-Bezirksleiter Johann Horn am Donnerstag. Anders als angekündigt würden die mit 1,1 Milliarden Dollar veranschlagten Synergieeffekte aus der Fusion durch einen Personalabbau erreicht werden. Der Stellenabbau falle nun höher als erwartet aus. "Wir fordern das Unternehmen auf, vom zusätzlichen Stellenabbau Abstand zu nehmen", sagte Horn. Die Übernahme bringe den Beschäftigten "nichts als Stellenabbau, Gängelung und Einschränkungen bei der Mitbestimmung", ergänzte Xaver Schmidt, der für die Gewerkschaft IG BCE im Linde-Aufsichtsrat sitzt.

Linde ist weiterhin im Deutschen Aktienindex notiert, der offizielle Sitz des Unternehmens ist aber in Irland, die Sitzungen des Verwaltungsrats sollen in Großbritannien stattfinden. Die Hauptverwaltung ist am ehemaligen Praxair-Sitz in Danbury im US-Bundesstaat Connecticut sowie in München. "Nach wie vor gräbt der kulturelle Unterschied zwischen den fusionierten Unternehmen Linde und Praxair tiefe Furchen", teilte nun die IG Metall mit. Die angekündigte Integration der Unternehmen habe bisher nicht funktioniert. In der Linde-Zentrale gab es in den vergangenen Monaten eine ganze Reihe von Abgängen. Linde-Vorstand Bernd Eulitz, bislang für das US-Geschäft zuständig, hatte Mitte September seinen Abschied verkündet. Er wird zum 1. November neuer Vorstandsvorsitzender des Münchner Zuliefererkonzerns und Bremsenherstellers Knorr Bremse.

Linde und Praxair hatten eine Integrationsphase vereinbart, die bis Ende 2021 laufen soll. Bis dahin soll es in jedem Fall zwei Verwaltungen in den USA und in München geben. Der Umzug aus der bisherigen Münchner Zentrale war erwartet worden. Linde hatte bis 2006 seinen Hauptsitz in Wiesbaden. Nach einem Umbau und dem Verkauf der Gabelstapler-Sparte verlegte der damalige Konzernchef Reitzle die Zentrale nach München. Vor gut zehn Jahren zog das Unternehmen, das einst von Carl von Linde in München gegründet worden war, in die bisherige Immobilien, die nicht Linde gehört, sondern gemietet ist. Der Mietvertrag wurde jetzt vorzeitig gekündigt. Schon jetzt ist die oberste Etage, wo früher der Linde-Vorstand seine Büros hatte, weitgehend leer. Linde verliere damit sein Gesicht in München, kritisierte die IG Metall. Allerdings gibt es in Höllriegelskreuth bei Pullach ein großes Linde-Areal. Dort ist auch das sogenannte Linde Office Center angesiedelt, das 2013 fertiggestellt wurde. In München sind derzeit unter anderem die Bereiche Öffentlichkeitsarbeit, Personal und Qualitätssicherheit angesiedelt.

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SZ vom 25.10.2019/hgn
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