Süddeutsche Zeitung

Lilium:Stoff für Flugtaxis

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Lilium will Kohlefaser aus Japan beziehen. Trotz Corona und einem abgebrannten Gerät hält das Start-up an seinen Plänen fest.

Von Jens Flottau, Frankfurt

In der öffentlichen Wahrnehmung ist es zuletzt nicht gerade gut gelaufen für das Start-up Lilium. Anfang des Jahres bezweifelten mehrere Experten, dass das geplante elektrische Flugtaxi so weit fliegen können wird, wie vom Unternehmen angekündigt. Die Investoren waren, vorsichtig gesagt, verunsichert. Dann brannte einer der beiden Demonstratoren am Boden ab, seither finden keine Flugtests mehr statt. Und schließlich schränkt seit März die Corona-Pandemie die 400 Lilium-Mitarbeiter massiv ein, die meisten von ihnen müssen weiterhin von zu Hause aus arbeiten.

Keine günstigen Bedingungen also für ein Start-up, das auf den Vertrauensvorschuss und die Finanzierung von Risikokapitalgebern angewiesen ist, weil es noch keinen Umsatz generiert. Lilium-Chef Daniel Wiegand jedoch hält trotz Unfall und Coronavirus am Zeitplan für den Lilium Jet fest: 2025 sollen die ersten Maschinen eingesetzt werden, Ende 2022 oder Anfang 2023 soll die Serienversion erstmals fliegen.

Zuletzt hatte Lilium mit Sitz in Oberpfaffenhofen bei München den Finanzinvestor Baillie Gifford für sich gewonnen, der mit 30 Millionen Dollar eingestiegen ist. 375 Millionen Dollar hat das Unternehmen damit insgesamt eingesammelt und ist damit nach eigenen Angaben nun bis etwa Ende 2021 durchfinanziert.

Nun folgt der nächste Schritt. Lilium hat mit dem japanischen Chemiekonzern Toray einen Vertrag über die Lieferung von Kohlefaserverbundwerkstoffen geschlossen. Toray soll gemäß dem Papier, dessen Inhalt am Dienstag offiziell bekannt gegeben werden soll, das Material für mehrere Hundert Lilium Jets liefern. Sowohl Rumpf als auch Tragflächen und Klappen der Maschinen sind aus Kohlefasern gefertigt.

"Wir haben heute schon Batterien auf dem Prüfstand, die 300 Kilometer schaffen."

Lilium bezeichnet die Einigung mit Toray als Schritt in Richtung Serienfertigung. Laut Wiegand laufen derzeit "detaillierte Verhandlungen" mit anderen wichtigen Lieferanten. Er wollte sich allerdings nicht dazu äußern, wann diese abgeschlossen sein müssen.

Der Fünfsitzer, der zunächst von einem Piloten gesteuert wird, soll vollständig elektrisch angetrieben werden. Anders als die meisten anderen Neueinsteiger in der Szene setzt Lilium nicht auf den Verkehr innerhalb von Großstädten, sondern auf Regionalverbindungen bis zu 300 Kilometern Entfernung. "Wir bieten Intercity-Verbindungen an wie ein ICE, nur unabhängig von Trassen und Gemeindegrößen", sagt Wiegand.

Innerstädtische Flüge seien nicht sinnvoll, weil es kaum gelinge, auf den kurzen Entfernungen eine wesentliche Zeitersparnis zu erreichen. Es sei auch "nicht einmal wünschenswert", im großen Stil etwa Pendler aus der U-Bahn in der Luft zu transportieren. Hingegen könne der Lilium Jet auf weiteren Strecken seine Vorzüge ausspielen.

Die 300 Kilometer seien, so haben Kritiker zuletzt errechnet, mit der heute vorhandenen Batterietechnologie nicht zu erreichen, dazu sei der Energieverbrauch im Schwebeflug des mehr als 1,5 Tonnen schweren Gerätes zu groß. "Es kann sein, dass wir bei Markteintritt noch ein wenig darunter liegen," sagt Wiegand. "Wir müssen am Anfang mindestens 150 bis 180 Kilometer erreichen, damit der Businessplan funktioniert, und das werden wir deutlich übertreffen", sagt er. "Wir haben heute schon Batterien auf dem Prüfstand, die 300 Kilometer schaffen." Lilium plant dann im Serienbetrieb, die Flugzeuge regelmäßig nachzurüsten - immer dann, wenn Batterien mit größerer Kapazität zur Verfügung stehen.

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SZ vom 14.07.2020
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