Flugtaxi-Start-up:Bund verweigert Lilium Staatshilfe

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(Foto: -/dpa)

Der Haushaltsausschuss gewährt dem Flugtaxi-Start-up keine Bürgschaft. Damit steht Lilium vor einer ungewissen Zukunft – und Markus Söder schimpft auf die Grünen.

Von Jens Flottau, Vivien Timmler, Frankfurt/Berlin

Das Flugtaxi-Start-up Lilium muss ohne die finanzielle Hilfe des Bundes auskommen. Die Haushälter der Ampel-Koalition verweigern dem Unternehmen nach SZ-Informationen die geforderte Bundesbürgschaft über 50 Millionen Euro. Schon vor einer Woche hatten sich die Mitglieder des Haushaltsausschusses nicht auf eine solche Staatshilfe einigen können, die Gespräche liefen aber im Hintergrund weiter. Nun ist die Bürgschaft endgültig vom Tisch.

Mit der Entscheidung endet ein Streit zwischen Parlament und Regierung – zugunsten der Parlamentarier. Die haben im Haushaltsausschuss die Aufgabe und auch Macht, über die Verwendung von Steuergeldern zu wachen. Wie die SZ aus Koalitionskreisen erfuhr, soll sich in den vergangenen Tagen aber insbesondere Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) intensiv in die Debatte rund um Lilium eingemischt und ausdrücklich auf eine Bürgschaft gedrungen haben. Er hatte im Sommer einen Messestand des Flugtaxi-Bauers besucht und Lilium-Chef Klaus Roewe nach dessen Darstellung versprochen, „dass er bereit ist, zu unterstützen und zu helfen“. Auch FDP-Chef Christian Lindner soll massiv Druck auf seine eigenen Haushaltspolitiker ausgeübt haben, der Bürgschaft trotz großer Skepsis zuzustimmen. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) soll ebenfalls auf seine Haushälter zugegangen sein.

Die Grünen-Politiker im Haushaltsausschuss blieben jedoch bei der Haltung, die sie schon vor einer Woche eingenommen hatten: Es sei nicht Aufgabe der Steuerzahler, dann als Geldgeber einzuspringen, wenn sich keine privaten Geldgeber mehr finden lassen – insbesondere angesichts der schwierigen Haushaltslage. Das war zu Beginn der Woche auch noch die Haltung der Mehrheit der FDP-Haushälter. Es gebe „kein erkennbares Bundesinteresse an der Förderung von Flugtaxen“, mahnte etwa der Abgeordnete Frank Schäffler, „mit Steuergeldern des Bundes darf nicht spekuliert werden.“ Nach „tiefgehenden Beratungen“ sei die Fraktion aber zu dem Schluss gekommen, dass „die Chancen für eine Bundeshilfe“ bei Lilium überwögen, sagte am Donnerstag FDP-Haushälter Karsten Klein.

SPD-Haushaltspolitiker Dennis Rohde bedauerte die Entscheidung des Haushaltsausschusses. Die Sozialdemokraten hätten „dieser klimaneutralen Zukunftstechnologie gern staatlich unter die Arme gegriffen“, sagte er. Deutschland könne es sich nicht leisten, Industriearbeitsplätze der Zukunft zu verlieren. Leider habe es dafür keine Mehrheit in der Koalition gegeben.

„Typisch Grüne!“ poltert Söder

Für den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) ist die Sache klar. „Nächster Fall von Bayern-Bashing“, kommentierte er die aus seiner Sicht „krasse Fehlentscheidung“. Sein Kabinett hatte im September nach ebenfalls heftigen Debatten und erst nach einem Söder-Machtwort beschlossen, dem Unternehmen aus Oberpfaffenhofen bei München eine Kreditbürgschaft über 50 Millionen Euro zu gewähren - jedoch unter dem Vorbehalt, dass sich der Bund in gleicher Weise beteiligt. „Wir hätten unseren Beitrag erbracht“, sagte Söder nun. Der Hauptschuldige für ihn: die Grünen. „Typisch Grüne! Sie sind und bleiben innovationsfeindlich und deshalb dafür verantwortlich, wenn deutsche Kreativität in die USA, Frankreich oder nach China abwandert“, polterte er. Zumal das alles „mit dem Bundeskanzleramt“ anders geplant und besprochen gewesen sei.

Was Söder nicht schreibt: Lilium gilt zwar als innovatives Luftfahrt-Start-up, hat aber noch kein einziges Flugtaxi in die Luft gebracht und dafür schon Verluste in Höhe von insgesamt etwa 1,5 Milliarden Euro angehäuft. Auch der Bund hatte Lilium über seine Förderprogramme bereits mit mehreren Millionen Euro unterstützt. Nun steckt die Firma in ernsten finanziellen Schwierigkeiten. Sie benötige „sofort zusätzliches Kapital“, heißt es in einer Mitteilung an die US-Börsenaufsicht SEC, andernfalls drohe womöglich die Insolvenz. Zwar gibt es private Investoren, die nach wie vor hinter Lilium stehen. Auch die wollen weitere Gelder in Höhe von bis zu 100 Millionen Euro aber nur freigeben, wenn der Staat einer Bürgschaft zustimmt. Interesse an Lilium soll nach SZ-Informationen auch der französische Staat angemeldet und der Firma einen Zuschuss in Höhe von 220 Millionen Euro in Aussicht gestellt haben. Für die kurzfristige Rettung von Lilium würde das französische Geld dem Vernehmen nach aber nicht helfen.

Welche Folgen die versagte Staatshilfe des Bundes für das Start-up konkret hat, war am Donnerstag zunächst unklar. Dem Vernehmen nach würde die Hilfe des Landes Bayern in Höhe von 50 Millionen Euro allein nicht reichen, um Lilium zu retten – zumal Söder diese explizit an die Bürgschaft des Bundes geknüpft hatte. Eine Insolvenz des Start-ups wird damit schlagartig wahrscheinlicher. Ein Lilium-Sprecher wollte sich auf Anfrage nicht äußern.

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