Lieferkettengesetz:Die Haftungsfrage

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Deutsche Unternehmen sollen verantwortlich sein, wenn Zulieferer Menschenrechte missachten. In einem wichtigen Punkt ist sich die Bundesregierung jedoch uneinig - noch.

Von Caspar Dohmen, Berlin

Eine Kleiderfabrik in Shishi, im Südosten Chinas, die viele Firmen beliefert. (Foto: Song Weiwei/imago images)

Die Bundesregierung ist seit Monaten uneinig über das Lieferkettengesetz. Es soll deutsche Unternehmen verpflichten, bei ihren Lieferanten in aller Welt menschrechtliche Sorgfaltspflichten einzuhalten. Größter Streitpunkt ist die Frage der Haftung der Unternehmen, wenn sie gegen diese Sorgfaltspflichten verstoßen. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) sind für einen Haftungsmechanismus und wissen dabei Zivilgesellschaft, Gewerkschaften und Kirchen hinter sich.

Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ist dagegen, genauso wie die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft. Allerdings gibt es auch Unternehmen und Verbände, die sich prinzipiell für eine Haftung aussprechen. So erklärte der europäische Markenverband AIM, der etwa 2500 Unternehmen wie Beiersdorf, Nestlé oder Puma vertritt, mit Blick auf ein europäisches Lieferkettengesetz: Unternehmen sollten dafür haftbar gemacht werden können, dass sie keine ausreichenden Sorgfaltsverfahren eingerichtet und angewendet haben. Noch diese Woche wollen die drei Ministerien erneut versuchen, den Streit über das Thema auszuräumen.

Notwendig sei es, endlich darüber zu sprechen, wie eine Haftung aussehen könnte, um einen Kompromiss zu finden, sagt Cornelia Heydenreich von der Initiative Lieferkettengesetz.

Tatsächlich ist der Eindruck falsch, dass erst ein Lieferkettengesetz eine Haftungsgrundlage für Klagen bietet. Tatsächlich gibt es mit Paragraf 823 im BGB bereits eine solche Haftungsgrundlage, die generell für alle Unternehmen gilt, ob groß oder klein. Allerdings wollen die Minister Heil und Müller eigentlich die zivilrechtliche Haftung in einem Lieferkettengesetz genauer fassen und damit die Klagemöglichkeiten Betroffener vereinfachen. So sehen es die ursprünglichen, aber unveröffentlichten Eckpunkte des Gesetzes vor.

Unternehmen könnten sich absichern - ohne ein Problem zu lösen

Selbst Unternehmen, die sich generell für ein Lieferkettengesetz mit Durchsetzungsmechanismen engagieren, haben ihre Zweifel an der Sinnhaftigkeit einer zivilrechtlichen Haftung. Es bestehe die Gefahr, dass Unternehmen dann vor allem so handeln würden, "dass sie möglichst gut gegen Klagen abgesichert sind", sagte die Tchibo-Managerin Nanda Bergstein vergangene Woche bei einer Anhörung im Menschenrechtsausschuss des Bundestages. Unternehmen könnten etwa darauf setzen, dass private Auditfirmen Zulieferer überprüfen. In der Vergangenheit sind Probleme so nicht beseitigt worden. "Im schlimmsten Fall werden sogar Anreize gesetzt, die tatsächlichen Zustände zu verschleiern, um dann nicht zur Rechenschaft gezogen zu werden", sagte Bergstein.

Dagegen hält die Menschenrechtsorganisation ECCHR, die Klagen etwa gegen KiK oder den TÜV Süd vor deutschen Gerichten unterstützte, eine zivilrechtliche Haftung im Lieferkettengesetz für unverzichtbar. Eine Haftung für die Verletzung von Leib, Leben, Eigentum und sonstigen Rechten im Sinne von Paragraf 823 BGB sei nicht ausreichend, sagte die Juristin Miriam Saage-Maaß bei der Anhörung: "Es bedarf der Erweiterung der Schutzgüter um den anerkannten Menschenrechtskatalog."

Trotzdem könnte ein Kompromiss der Bundesregierung beinhalten, auf eine erweiterte zivilrechtliche Haftung innerhalb eines Lieferkettengesetzes zu verzichten. Wenn Unternehmen die Sorgfaltspflichten missachteten, könnten etwa Bußgelder in Höhe des Umsatzes von bis zu zehn Prozent verhängt werden und das Unternehmen von öffentlichen Vergabeverfahren oder der Außenwirtschaftsförderung ausgeschlossen werden. Bei einer starken behördlichen Durchsetzung stünde die Prävention im Vordergrund, dass es also gar nicht erst zu einem Schaden kommt. Allerdings fragt sich mancher Beteiligter, ob eine Behörde dieser Aufgabe wirksam nachkommen könnte. Alleine die Schaffung eines Lieferkettengesetzes erleichtere es Betroffenen, vor Gerichten zu klagen, glauben Befürworter eines Kompromisses.

Allerdings galt es laut Verhandlungskreisen bislang als eine rote Linie der SPD, auf die zivilrechtliche Haftung im Lieferkettengesetz zu verzichten. Der christsoziale Entwicklungsminister Gerd Müller gilt in diesem Punkt als flexibler. Ihm geht es vor allem um den Einstieg in eine Regelung für die Lieferketten. Wenig bewegt hat sich bislang Wirtschaftsminister Altmaier im Punkt der Haftung.

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