Lieferketten:"Das ist gut gemeint, aber ein gescheitertes Gesetz"

Lieferketten: Welche Auswirkungen hat das Lieferkettengesetz auf die Unternehmen? Darüber diskutierten (von links) Microsoft-Manager Alexander Britz, Klaus Dittrich, scheidender Vorstandsvorsitzender der Messe München, und Baywa-Chef Klaus Josef Lutz.

Welche Auswirkungen hat das Lieferkettengesetz auf die Unternehmen? Darüber diskutierten (von links) Microsoft-Manager Alexander Britz, Klaus Dittrich, scheidender Vorstandsvorsitzender der Messe München, und Baywa-Chef Klaus Josef Lutz.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Verbraucher wollen wissen, wie ein Produkt entstanden ist, und die Politik verpflichtet Unternehmen bald, Lieferketten genau zu checken. Vor allem kleinere Firmen stellt das vor Schwierigkeiten.

Von Christina Kunkel

Der SZ-Nachhaltigkeitsgipfel

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Wer heute zum Frühstück genüsslich in sein Avocado-Brot gebissen hat, mag sich nicht direkt die Frage gestellt haben, wer unter welchen Bedingungen diese Frucht geerntet hat und auf welchem Weg sie über das Supermarktregal auf dem Teller gelandet ist. Doch genau diese Fragen müssen viele Unternehmen spätestens von 2023 an beantworten: Sie werden durch das Lieferkettentransparenzgesetz dazu verpflichtet. Eine EU-Regelung, die zwei Jahre später in Kraft treten soll, könnte sogar noch strenger ausfallen.

Dass es Regeln braucht, um Transparenz zu schaffen in den komplizierten Wegen, die Produkte zurücklegen, bis sie letztlich beim Verbraucher landen, darüber sind sich auch beim SZ-Nachhaltigkeitsgipfel die Industrievertreter auf dem Podium einig. Aber ob die politisch eingeschlagenen Pflöcke dazu sinnvoll sind, da gehen die Meinungen doch stark auseinander.

Der Baywa-Chef sieht vor allem auf kleine Betriebe unlösbare Probleme zukommen

Vor allem Baywa-Chef Klaus Josef Lutz spart nicht mit Kritik: "Das ist gut gemeint, aber ein gescheitertes Gesetz", sagt er. Transparenz schön und gut - aber wie sollten das vor allem die kleinen, mittelständischen Unternehmen leisten, die anders als die großen Konzerne keinen ganzen Apparat an Leuten haben, um jeden einzelnen Zulieferer zu checken. Lutz, der auch Präsident der Industrie- und Handelskammer München und Oberbayern ist, sieht vor allem "zusätzliche Schwierigkeiten" und verlangt von der Politik pragmatische Lösungen.

"Ich hätte gerne eine Blacklist und eine Whitelist", fordert er. Es solle also Länder oder auch Lieferanten geben, mit denen man ohne große Zusatzprüfungen Geschäfte machen kann - oder eben welche, mit denen man keine Beziehungen unterhalten dürfe. Das müsse man gerade im Hinblick auf die Energiewende dringend diskutieren. Sehr viele Solarpanels würden etwa in China von den dort unterdrückten Uiguren zusammengebaut. Streng genommen dürfe man unter Menschenrechtsgesichtspunkten diese Produkte nicht mehr einkaufen. Aber was wäre die Alternative?

"Erst einmal müssen wir Transparenz schaffen", sagt dagegen Alexander Britz, der gerade erst in die Geschäftsführung von Microsoft Deutschland berufen wurde. Auch der Technologiekonzern hat viele Produkte - ob Tablet oder Notebook - in denen viele Rohstoffe stecken, deren Abbau und Verarbeitung komplex und zudem unter Nachhaltigkeitsaspekten hochproblematisch sein können. Sei es Kobalt aus den Minen im Kongo oder Lithium aus Südamerika. Und doch sagt Britz: "Natürlich sind das riesige Herausforderungen. Aber wir müssen jetzt einfach mal anfangen." Auch er sieht das Problem, dass kleine Unternehmen das nicht in dem Umfang leisten können wie Milliardenkonzerne. Andererseits: Bei der Datenschutzgrundverordnung habe es dieselben Zweifel gegeben und am Ende habe es doch funktioniert.

Ähnlich sieht das Klaus Dittrich, der gerade nach zwölf Jahren den Vorstandsvorsitz der Messe München abgegeben hat. Er erlebe die Probleme mit den Lieferketten vor allem über seine Aussteller. Dort könne auch die Messe am ehesten einwirken, indem man diese zum Beispiel beim Standbau berät. "Dort kann man Spanplatten mit Holz aus der Region verwenden oder das Catering mit lokalen Zutaten machen", sagt Dittrich. Eine Messe könne dafür ein guter Ort zum Austausch sein.

Microsoft-Manager Britz ist überzeugt: "Das Thema Transparenz wird uns auch deshalb erhalten bleiben, weil der Konsument es verlangt." Weil der eben doch immer öfter wissen will, woher die Frühstücks-Avocado kommt und wie viel CO₂ sie auf dem Weg auf den Teller verursacht hat.

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