Lieferketten:Es geht auch anders

Viele Unternehmen haben zu wenig soziale und ökologische Verantwortung für ihre globalen Lieferketten übernommen. Dazu könnte es bald eine gesetzliche Verpflichtung geben.

Von Michael Bauchmüller, Caspar Dohmen und Kristiana Ludwig, Berlin

January 7 2018 Dhaka Bangladesh Bangladeshi female workers work at a garments factory in Gazip

Wenn - wie hier in Bangladesh - Näherinnen ihre Stoffe zuliefern, dann wäre es schon wichtig zu wissen, unter welchen Bedingungen sie arbeiten.

(Foto: Mehedi Hasan/imago/ZUMA Press)

Die Bundesregierung vertraut Unternehmen bei der Umsetzung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten bei deren Zulieferern in aller Welt, ob Nähbetrieben in Bangladesch, Smartphonefabriken in China oder Eisenerzminen in Brasilien. Aber statt des Freiwilligkeitsprinzips könnte es bald eine gesetzliche Verpflichtung geben. Denn die Unternehmen haben freiwillig nicht ausreichend Verantwortung für die sozialen und ökologischen Verhältnisse in ihren globalen Lieferketten übernommen.

Darauf deuten die bisherigen Ergebnisse einer Überprüfung durch die Bundesregierung hin. Zeit hatten die Unternehmen: Denn die Vereinten Nationen verabschiedeten bereits 2011 die 'Prinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte'. Damit verblieb zwar die Hauptverantwortung bei der Umsetzung bei den Staaten, aber Unternehmen wurden mit in die Verantwortung genommen. Die Umsetzung der Strategie blieb Sache jedes einzelnen Staates. Deutschland entschied sich im Rahmen seines sogenannten "Nationalen Aktionsplans für Wirtschaft und Menschenrechte" im Jahr 2016 für das Prinzip Freiwilligkeit, machte dies aber davon abhängig, dass mindestens die Hälfte aller hiesigen Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten bis zum Jahr 2020 freiwillig ihre menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten erfüllen würden. Zur Überprüfung entschied sich die Bundesregierung für ein Monitoring, das ist nun zu Ende.

"Ein nationales Gesetz könnte zudem auch als eine gute Vorlage für Europa dienen"

Im Bundestag hatte Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) in der vergangenen Woche verkündet, dass der Monitoringprozess nun beendet sei: "Es haben sich circa 30 Prozent der Befragten beteiligt", sagte er: "Ich nehme nichts vorweg, es wird erst ausgewertet, aber: mit einem vollkommen unbefriedigenden Ergebnis. Sollte es sich so bestätigen, werden wir den Koalitionsvertrag umsetzen und ein Lieferkettengesetz vorlegen". Bereits bei der ersten Befragung hatten nur 20 Prozent nach eigener Einschätzung die Vorgaben des Nationalen Aktionsplans erfüllt. Vorarbeiten für ein Gesetz gibt es bereits. Anfang des vergangenen Jahres hatte Müller zusammen mit Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) den Entwurf für ein so genanntes Sorgfaltspflichtengesetz erarbeitet. Damit würden deutsche Unternehmen, die in einem "Hochrisikosektor" oder in "Konflikt- und Hochrisikogebieten" tätig sind, verpflichtet, einen "Compliance-Beauftragten" einzusetzen, der die gesamte Wertschöpfungskette etwa auf Menschenrechtsverletzungen hin überprüft. Wer hier absichtlich falsche Angaben macht und Gesundheitsschäden oder gar Todesfälle verursacht, dem drohten demnach sogar Gefängnisstrafen.

Dieser Entwurf solle nun "als Grundlage für ein künftiges Gesetzgebungsverfahren dienen", heißt es aus dem Entwicklungsministerium. Allerdings sei die Vorstellung dieser neuen Eckpunkte aufgrund der Corona-Pandemie "zurückgestellt" worden. Einen neuen Termin gebe es noch nicht. Die zweite Befragungsrunde des NAP-Monitorings sei aufgrund der Pandemie um fünf Wochen verlängert worden, heißt es: "Von der Corona-Krise betroffene Unternehmen" hätten so etwas Aufschub bekommen. Der Zeitplan zur Entscheidungsfindung der Bundesregierung bleibe aber bestehen: Erste Auswertungsergebnisse würden Müllers Kabinettskollegen Mitte Juli vorgelegt. Im Arbeitsministerium wird beteuert, man sei weiter an der Sache mit den Lieferketten dran und halte das Lieferkettengesetz nach wie vor für ein wichtiges Projekt. Derzeit warte man aber erst einmal auf das offizielle Ergebnis der zweiten Befragung, auf dieses Vorgehen habe man sich geeinigt.

Die Arbeitgeber halten ein Lieferkettengesetz für "nicht praktikabel"

Der Bundesverband der Deutschen Arbeitgeber bekennt sich zu der menschenrechtlichen Verantwortung der deutschen Wirtschaft, hält aber ein Lieferkettengesetz für "nicht praktikabel". Man könne Unternehmen doch nicht für das Verhalten Dritter verantwortlich machen, "obwohl diese gar keinen direkten Zugriff haben und das auch nicht prüfen können", heißt es. Auch andere Verbände hatten sich gegen das geplante Lieferkettengesetz ausgesprochen. Allerdings plädieren eine ganze Reihe von Unternehmen mittlerweile für ein solches Gesetz. Der Deutsche Gewerkschaftsbund sieht sich in seinem Werben für ein Lieferkettengesetz durch die Krise bestätigt. Die Corona-Pandemie habe doch gezeigt, wie fragil globale Wertschöpfungsketten seien und wie wenig in der Vergangenheit auf den sozialen Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesen Lieferketten geachtet wurde. "Belastungen wurden einfach in der Kette nach unten weiter gereicht", heißt es.

Ein Lieferkettengesetz wäre dagegen ein wesentlicher Schritt hin zu einer fairen Globalisierung. Der DGB setzt sich mit 93 anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen in einem Bündnis für ein Lieferkettengesetz ein. "Ein nationales Gesetz könnte zudem auch als eine gute Vorlage für Europa dienen", heißt es. Die Bundesregierung sollte die EU-Ratspräsidentschaft nutzen, um eine europäische Richtlinie voranzubringen. Darauf setzt auch der grüne Entwicklungspolitiker Uwe Kekeritz. Er drängt trotz der Ankündigung des EU-Justizkommissars, in 2021 das Thema aufzugreifen, auf ein deutsches Gesetz: "Da aber noch völlig unklar ist, wie viele Jahre der europäische Prozess dauert, muss Deutschland jetzt eine Vorreiterrolle in Sachen Menschenrechts- und Umweltschutz einnehmen und möglichst schnell verbindliche Regeln einführen", sagte er.

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