Liechtenstein:Panama, gelobtes Land

Liechtenstein Tax Disclosure Rises

Das Schloss von Vaduz: Anfang 2016 wird das Fürstentum Liechtenstein wohl endgültig sein Bankgeheimnis aufgeben.

(Foto: Adrian Moser/Bloomberg)

Liechtenstein tut viel, um vom Image als Steueroase wegzukommen. Doch die Treuhänder in der Alpenmonarchie helfen Steuerbetrügern weiterhin.

Von Uwe Ritzer

Seine Spur verliert sich im Sommer 2011. Damals lebte Heinrich Kieber, Spitzname "Henry", in Gold Coast, einer Halbmillionenstadt an der australischen Ostküste. Er gab sich als Daniel Wolf aus und behauptete, ein reicher Privatier aus Österreich zu sein. Als die Tarnung aufflog, floh Kieber Hals über Kopf. Seither ist er untergetaucht. Kommenden Montag wird der gebürtige Liechtensteiner 50 Jahre alt. Wo immer er seinen Geburtstag feiern wird - er tut dies als reicher Mann und mit falscher Identität.

Als Mitarbeiter in der Treuhandsparte der Liechtensteiner Fürstenbank LGT hatte Kieber die Daten Tausender Kunden aus 13 Ländern geklaut, die Schwarzgeld in der Alpenmonarchie versteckt hatten. Das Material über 4000 Stiftungen und ähnlich undurchsichtige Finanzkonstrukte verkaufte er für mehrere Millionen Euro und mindestens einen neuen Pass an die Heimatländer der Steuerbetrüger. Deutschland soll ihm 4,6 Millionen Euro für jene CD bezahlt haben, auf der die Schwarzgeldverstecke Hunderter Deutscher registriert waren. Prominentester war der damalige Deutsche-Post-Chef Klaus Zumwinkel.

Viele Anleger haben ihre unversteuerten Milliarden abgezogen

Es war der Anfang vom Ende der Steueroase Liechtenstein.

Sieben Jahre später ist dort nichts mehr wie zuvor. Anleger, vor allem die Besitzer von Schwarzgeld, zogen seither Milliarden ab. Das Geschäft mit neuen Kunden brach ein; vor allem die früher besonders zahlreichen Deutschen bleiben weg. "Es ist generell anspruchsvoller geworden, in den traditionellen Märkten wie Deutschland neue Kunden zu akquirieren", sagt Simon Tribelhorn, Geschäftsführer des Liechtensteinischen Bankenverbands. "Der Großteil der Zuflüsse kommt eher aus den Wachstumsregionen wie Asien sowie dem Nahen Osten."

Unter dem Druck vor allem der USA und der EU hat Liechtenstein sein kompromissloses Bankgeheimnis längst aufgeweicht. Ab 1. Januar 2016 könnte es endgültig Geschichte sein. Dann beteiligt sich das Fürstentum am grenzübergreifenden Automatischen Informationsaustausch (AIA), den mehr als 50 Länder nach einem Standard der OECD, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, vereinbart haben.

Fortan wird auch Liechtenstein die Kontodaten ausländischer Kunden automatisch an die Finanzbehörden ihrer Heimatländer übermitteln. Unklar ist noch, inwieweit die Finanzbehörden auch über zurückliegende Geldanlagen Informationen erhalten. Ob dies nur in begründeten Einzelfällen, oder aber auch über Gruppen- und Sammelanfragen möglich sein wird.

Im Vorgriff auf den Informationsaustausch ziehen gerade die 15 Liechtensteiner Banken die Zügel an. Sie verlangen von Kunden aus am AIA beteiligten Staaten inzwischen Nachweise dafür, dass sie ihre Einlagen zu Hause ordnungsgemäß versteuert haben. Wer sein Schwarzgeld im letzten Moment in eine andere, am AIA nicht beteiligte Steueroase überweisen will, hat Pech. Seit 1. Februar verweigern die Liechtensteiner Banken solche Transfers ebenso wie Barauszahlungen von mehr als 100 000 Schweizer Franken.

All dies zeige, wie ernst Liechtenstein es mit seiner "Weißgeldstrategie" meine, sagen Offizielle aus Politik und Banken in Vaduz. In der Tat tut das Fürstentum viel, um den Ruf loszuwerden, dass jeder Despot, Gangster und Ganove willkommen sei, wenn er nur viel Geld mitbringe. Andererseits haben die Geschäfte in der Vergangenheit gehörig dazu beigetragen, den nur 36 000 Einwohner kleinen Staat zu einem der wohlhabendsten Länder der Erde zu machen. Die Fürstenfamilie stieg gar zum reichsten Monarchen-Clan Europas auf.

Große Nutznießer des alten Systems waren vor allem die etwa 250 Liechtensteiner Treuhandfirmen. Sie verwalteten für erkleckliche Gebühren die anonymen Stiftungen ausländischer Steuerbetrüger und anderer Ganoven. "Treuhänder waren für unser Land das, was in Frankreich die Fremdenlegionäre sind", sagte einmal der Liechtensteiner Schriftsteller Stefan Sprenger. "Sie erledigten ein Geschäft, über das die Mehrheit der Bevölkerung am liebsten nichts wissen wollte."

Einige Treuhänder haben sich mit den neuen Zeiten arrangiert und suchen neue, seriöse Geschäftsmodelle. Die meisten jedoch sind Bremser im Reformprozess. Immer wieder kommt es zu Auseinandersetzungen mit den Reformkräften im Land. Bisweilen sollen bei vertraulichen Gesprächen mit Regierungs- oder Bankenvertretern die Fetzen geflogen sein. "Es gab und gibt zum Teil sehr aufreibende Diskussionen über die generelle Umsetzung der Weißgeldstrategie", sagt ein an den Gesprächen Beteiligter. "Die Kritik seitens der Treuhandbranche bezog sich vor allem auf die Wettbewerbssituation", meint hingegen Ivo Elkuch von der Liechtensteinischen Treuhandkammer und warnt "vor einer diskriminierenden Behandlung liechtensteinischer Gesellschaften".

Im Stiftungsrat sitzen formal Menschen, die selbst nichts davon wissen

Tatsächlich aber fürchten die Treuhänder um ihr Milliardengeschäft. Sie fühlen sich als die großen Verlierer der Weißgeldstrategie. Immerhin ist die Zahl der treuhänderisch verwalteten Privatstiftungen seit dem Fall Kieber/Zumwinkel von mehr als 50 000 auf weniger als 20 000 gesunken. Allein im vergangenen Jahr wurden etwa 4000 Stiftungen gelöscht und nur 100 neue gegründet. "Damit ist der Tiefpunkt längst noch nicht erreicht", prophezeit ein Finanzexperte in der Hauptstadt Vaduz.

Also orientieren sich viele Treuhänder um - und unterlaufen dabei ganz bewusst den offiziell propagierten Reformkurs ihres Landes. Ihr gelobtes Land heißt Panama, jener mittelamerikanische Staat, der längst ein Wallfahrtsort für Steuerbetrüger aus der ganzen Welt ist. Dort sind Stiftungen mindestens so gute Schwarzgeldverstecke wie bis 2008 jene in Liechtenstein. Die Gründung von Briefkastenfirmen, Trusts oder anderen anonymen Finanzkonstrukten war dort ohnehin schon immer sehr simpel und diskret.

Das wissen auch die Liechtensteiner, die zu Hunderten an panamaischen Gesellschaften beteiligt oder dort aktiv sind, wie ein Blick in die amtlichen Verzeichnisse belegt. Selbst viele Mitglieder des Liechtensteiner Fürstenhauses wissen die Steueroase Panama zu schätzen.

Diese erlebt seit geraumer Zeit einen Boom. Bereits 2010 registrierte die Finanzmarktaufsicht (FMA) in Vaduz, vier von fünf Treuhändern im Fürstentum würden ihren Kunden Dienstleistungen in Panama anbieten. Damals war von mehreren Hundert Millionen Euro die Rede, die über solche Kanäle im Nachgang zu Kieber und Zumwinkel dorthin abgeflossen seien.

Inzwischen schätzen Experten wie Herbert Notz, dass "allein in den vergangenen fünf Jahren ein dreistelliger Milliardenbetrag aus Liechtenstein in panamaische Gesellschaften verschoben wurde." Auch das Netzwerk Steuergerechtigkeit hat entsprechende Verschiebungen registriert. Der bevorstehende automatische Informationsaustausch werde so "systematisch und im großen Stil unterlaufen", sagt Notz, der von Zürich aus internationale Vermögensrecherche betreibt.

Es ist ein raffiniertes System, mit dem Liechtensteiner Treuhänder und ihre panamaischen Helfershelfer Beihilfe zum Steuerbetrug leisten. Meist wird als Erstes die Stiftung des Kunden aufgelöst, die zwar in Vaduz registriert ist, deren Kapital jedoch in der Regel bei Schweizer Großbanken liegt. Parallel dazu aktiviert der zuständige Liechtensteiner Treuhänder in Panama eine seiner Vorratsgesellschaften. Anschließend wird das Geld der alten Stiftung von der Schweizer Großbank zu deren Tochter nach Singapur transferiert. Damit bleibt es im eigenen Haus, wird aber in Singapur verwaltet, wo das Bankgeheimnis noch strenger ist als vormals in der Schweiz.

Als Kontoinhaber fungiert fortan die neue Stiftung oder die Briefkastenfirma in Panama. Nicht selten kommt es vor, dass ein ganzes System ineinander verschachtelter Gesellschaften aufgebaut wird, um den wahren Eigentümer des Vermögens zu verschleiern. Im Stiftungsrat sitzen nicht selten unbeteiligte Dritte, Strohleute, die teilweise selbst davon nichts wissen. Häufig kommt es vor, dass die Namen alle paar Monate ausgetauscht werden.

Dreh- und Angelpunkt des Systems ist nach wie vor der jeweils zuständige Treuhänder mit Sitz in Liechtenstein. Er ist die Spinne im Netz, der Einzige, der über alles den Über- und den Durchblick hat. Doch Anfragen dort werden auch in Zeiten des automatischen Informationsaustauschs sinnlos sein. Auch "für Steuerfahnder in anderen Ländern ist dieses System mit normalen Mitteln nicht zu knacken und für Erben oder Gläubiger der Betroffenen ist es ein Albtraum", sagt Experte Notz.

Es sei denn, irgendwann kopiert auch in Panama oder Singapur ein Heinrich Kieber heimlich Daten und verkauft sie. Australische Medien übrigens glauben, dass der echte Kieber sich nach wie vor auf dem Kontinent aufhält. Unter falschem Namen, denn Liechtenstein sucht den Mann, der die Steueroase austrocknete, mit internationalem Haftbefehl.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: