Manche im Journalismus nennen es einen Paukenschlag, und der dröhnt ja für gewöhnlich ziemlich laut in den Ohren. Ganz ruhig scheint es jedenfalls nicht zugegangen zu sein, ehe Klaus Gehrig, der langjährige Chef der Schwarz Gruppe entschied, "spontan das Mandat als Komplementär" niederzulegen, wie der Mutterkonzern am Freitag mitteilte. Das Wort "spontan" ist in dieser Mitteilung schon mal bemerkenswert. Es klingt nach Wutausbruch, nach ganz großer Oper, und wer den hünenhaft gewachsenen Bauernsohn mit seiner Vorliebe für schnörkellose Sprache und gelegentliches Auf-den-Tisch-Hauen mal erlebt hat, ahnt, es könnte hier vom Ton her eher wie bei Wagner als wie wie bei Schumann zugegangen sein. Dabei ist nervenschonendes Verhalten ja allgemein angeraten, und nicht nur bei 73-Jährigen.
Nicht weniger Pauken und Trompeten stecken allerdings in den folgenden Sätzen der knappen Bekanntmachung. Demnach zieht sozusagen das Phantom der Oper zurück auf die Bühne: Dieter Schwarz himself, der große Unbekannte im ohnehin schattenreichen Universum des deutschen Lebensmitteleinzelhandels. In punkto Diskretion hat er früh von den Albrechts gelernt, bei denen sein Ziehsohn Gehrig bis 1976 das Handwerk lernte. Das Handwerk bestand im Wesentlichen darin, noch billiger zu sein als die anderen. Wer jetzt nach Tippfehlern in den Zahlen sucht - vergeblich. Dieter Schwarz hat "den Klaus" tatsächlich von Aldi vor fast 50 Jahren abgeworben.
Damals hatte Schwarz schon die ganz harten Aufbaujahre im kriegszerstörten Heilbronn hinter sich. Jetzt, so steht es in der Pressemitteilung, steigt er wieder ein und übernimmt "die Funktion des Komplementärs" - mit 81 Jahren. Wobei: Was heißt schon wieder einsteigen? War er je "draußen"? Angeblich geht er sowieso noch regelmäßig ins Büro - so wie sich das für einen Händler aus Fleisch und Blut seiner Auffassung nach gehört -, und schaut, wo es noch was zu verbessern gibt. Jedenfalls hat Schwarz, der Inhaber, Gehrig, den Komplementär, jetzt erst mal "beurlaubt".
Zu jeder guten Oper gehört natürlich auch eine Frau und das Hin- und Hergerissen-Sein am besten gleich zweier mächtiger Herrscher. Und siehe da: Auch das hat Lidl im Angebot. Denn der erste "Paukenschlag in Neckarsulm" ertönte schon im Mai. Da verabschiedete sich die 30-jährige Melanie Köhler überraschend aus dem Schwarz-Imperium. Sie war kurz zuvor kometenhaft aufgestiegen und Gehrig ihr eifrigster Förderer. Zuletzt galt sie als seine potenzielle Nachfolgerin. Noch bei ihrem Abgang tauschten beide Nettigkeiten.
Spontan im Abgang: Klaus Gehrig, gerade noch Chef von Lidl und Kaufland.
(Foto: Alessandra Schellnegger)Je steiler der Aufstieg Köhlers, desto furchtsamer blickte ein junger Aspirant (der in dieser Erzählung nicht fehlen darf) auf die ihm versprochene Karriere: Gerd Chrzanowski, gerade einmal 49, der designierte Chef der Schwarz Gruppe. Er scheint den internen Machtkampf vorerst für sich entschieden zu haben. Jedenfalls heißt es in der Pressemitteilung, Dieter Schwarz wolle nur solange Komplementär sein, bis Chrzanowski "das Mandat übernehmen kann".
Andererseits fragt man sich da, warum er das nicht jetzt schon kann? Und was der Satz bedeutet, Schwarz wolle mit Gehrig "die weitere Zusammenarbeit in einem weiteren Gespräch" regeln. Das Verhältnis zwischen beiden sei jedenfalls "ungetrübt". Klingt nach baldigem Comeback.