Süddeutsche Zeitung

Facebooks Kryptowährung:So will die EU Libra zähmen

Die EU-Kommission will Europas Finanzmärkte stärken und Kryptowährungen wie Facebooks Libra scharf regulieren.

Von Björn Finke, Brüssel

Es war der große Tag des Valdis Dombrovskis - doch er erlebte ihn in Quarantäne zuhause. Am Donnerstagmittag stellte der Vizepräsident der EU-Kommission gleich sechs Aktionspläne und Gesetzesentwürfe zur Finanzmarktregulierung vor. Aber weil er Anfang der Woche jemanden getroffen hat, der mit dem Coronavirus infiziert ist, darf Dombrovskis nicht ins Kommissionsgebäude kommen. Daher hielt der für Wirtschaftspolitik zuständige Kommissions-Vize seine Pressekonferenz per Video von zuhause ab. Ziel der sechs Initiativen ist es unter anderem, Hürden für Börsengeschäfte zwischen EU-Staaten niederzureißen und erstmals sogenannte Kryptowährungen zu regulieren - etwa Libra, die Onlinedevise, die der Internetkonzern Facebook einführen will.

Kritiker befürchten, solche Digitalwährungen könnten Geldwäsche erleichtern und die Geldpolitik der Notenbanken untergraben. Trotzdem hat die Libra Association aus Genf, ein Bündnis von Facebook und Partnern, bei der Schweizer Finanzaufsicht schon im April eine Lizenz beantragt. Geht die Privatwährung wirklich an den Start, müssten sich die Herausgeber zumindest in der EU an harte Bedingungen halten. Das sieht der 168-seitige Verordnungsvorschlag vor, den Dombrovskis nun vorlegte.

Kryptowährungen müssen abgesichert sein

"Wir werden Libra und andere globale Projekte nicht verbieten", sagte Dombrovskis vor der Präsentation in einem Interview mit der SZ und einer Handvoll internationaler Medien. "Aber wir wollen sicherstellen, dass sie reguliert werden und dass die Regulierung den Risiken gerecht wird." Das neue Gesetz soll den Umgang mit all jenen digitalen Finanzprodukten regeln, die von den existierenden Vorschriften nicht erfasst werden. Zahlreiche Paragraphen widmen sich sogenannten Stablecoins, also Kryptowährungen, deren Wert an bestimmte echte Währungen oder Rohstoffe gekoppelt ist. Daher schwankt ihr Wert weniger, als es zum Beispiel bei der Digitalwährung Bitcoin der Fall ist. Libra ist solch ein Stablecoin.

Bis der Vorschlag Gesetz wird, könnten der Ministerrat, die Entscheidungsrunde der Staaten, und das Europaparlament noch Änderungen vornehmen. Bislang sieht Dombrovskis Entwurf vor, zwischen normalen und besonders bedeutenden Stablecoins wie Libra zu unterscheiden. Für letztere sollen schärfere Regeln gelten. Die Kommission will später genaue Schwellenwerte festlegen, der Entwurf gibt Größenordnungen vor: So sollen Devisen, deren Volumen eine Milliarde Euro unterschreitet, die weniger als zwei Millionen Nutzer haben oder in höchstens sechs EU-Staaten verwendet werden, nicht als bedeutend eingestuft werden.

Die Herausgeber der Währungen sollen zwei Prozent der Reserven, die sie zur Stabilisierung des Devisenwerts aufgebaut haben, als Eigenkapital vorhalten. Bei bedeutenden Stablecoins sollen es drei Prozent sein. Bedeutende Währungen sollen auch von der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde in Paris überwacht werden anstatt von den nationalen Finanzkontrolleuren. Außerdem müssen die Anbieter gute interne Kontrollen etablieren und Vorgaben, wie sie zum Beispiel mit Interessenskonflikten umgehen.

Einfacher anlegen im Ausland

Neben dieser Verordnung für Krypto-Investments legte Dombrovskis einen Aktionsplan für eine Kapitalmarktunion vor. Hinter dem sperrigen Begriff verbirgt sich die Vision, in Europa einen einheitlichen Kapitalmarkt zu schaffen, sodass Anleger und kapitalhungrige Firmen auch ausländische Börsen ohne bürokratische Hürden nutzen können. Dass nach dem Brexit Europas größter Finanzplatz London nicht mehr zur EU gehört, macht dieses Vorhaben nach Einschätzung von Dombrovskis noch wichtiger: "Wenn der größte Kapitalmarkt die EU und den Binnenmarkt verlässt, müssen wir einen einheitlichen Kapitalmarkt in der verbleibenden EU schaffen."

Die Kommission kündigt in dem Plan 16 Initiativen an, darunter etwa einen Gesetzesvorschlag, der die Besteuerung von Zinsen und Dividenden im Ausland vereinfachen soll. Wer im Ausland investiert, versteuert die Erträge oft dort und noch einmal in der Heimat. Doppelt gezahlte Steuern zurückzufordern, ist mühsam - und lässt Anleger davor zurückschrecken, im EU-Ausland ihr Glück zu versuchen.

Lehren aus dem Fall Wirecard

Zudem möchte Brüssel untersuchen, ob die Vorschriften zur Finanzmarktaufsicht stärker vereinheitlicht werden müssen. Die Behörde verspricht, hier Lehren aus dem Wirecard-Skandal zu ziehen. "Der Skandal zeigt, dass es Raum für Verbesserungen bei den Regeln und ihrer Anwendung gibt", sagt Dombrovskis. "Und dass wir uns hin zu einer besser integrierten europäischen Aufsicht bewegen müssen." Der frühere lettische Ministerpräsident sagt, dass die Kommission bis Ende kommenden Jahres untersuchen werde, wie gut oder schlecht die Aufsicht in den Mitgliedstaaten funktioniert, und dann über die nächsten Schritte entscheiden werde. Die Kommission könnte vorschlagen, direkte Überwachung durch EU-Aufsichtsbehörden einzuführen, sagt er.

Außerdem verspricht die Kommission in dem Aktionsplan, darauf hinzuwirken, dass sich die Insolvenzregeln in den 27 Mitgliedstaaten angleichen. Wären die Vorschriften ähnlicher, könnten Investoren viel beruhigter Firmengründern im EU-Ausland Geld zur Verfügung stellen. Im Aktionsplan heißt es, die Behörde werde bis Sommer 2022 eine Initiative starten, "um die Resultate von Insolvenzverfahren besser vorhersehbar zu machen". Ob dazu ein EU-Gesetz gehören wird, lässt das Papier offen. Aus gutem Grund: Eine Vereinheitlichung des Insolvenzrechts mag aus Investorensicht wünschenswert sein, ist politisch aber äußerst heikel.

Solche Schwierigkeiten sind der Grund dafür, wieso es bei der Kapitalmarktunion bislang nicht recht vorangeht. Die Kommission veröffentlichte bereits 2015 einen ersten Aktionsplan, und die EU-Finanzminister betonen stets, wie wichtig das Thema sei. Trotzdem blieben Durchbrüche aus. Der neue Plan bilanziert nüchtern, einem einheitlichen Kapitalmarkt stünden "immer noch bedeutende Hürden in vielen Bereichen" entgegen, etwa bei Aufsicht und Besteuerung. Grund seien historische und kulturelle Unterschiede zwischen Ländern; "sie sind tief verwurzelt, und es wird dauern, sie zu überwinden".

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