Libor-Skandal:Bankenaufsicht verteidigt sich mit Eigenlob

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Konnten die Banken machen, was sie wollten? Hat die Aufsicht versagt? Im Libor-Skandal müssen sich die staatlichen Kontrolleure harte Fragen gefallen lassen. Doch statt bei der Aufklärung zu helfen, pocht die Aufsicht auf die eigene Unfehlbarkeit.

Andreas Oldag, London

Es ist ein Spiel gegenseitiger Beschuldigungen, das die Akteure beherrschen. Der Ausschuss des britischen Parlaments über Ermittlungen im Zinsmanipulations-Skandal gewährt einen intimen Einblick in die Missmanagement-Praktiken der Bankenbranche. Den Top-Managern - von der Großbank Barclays bis hin zu den Aufsichtsbehörden und der britischen Notenbank Bank of England (BoE) - geht es allerdings weniger um schonungslose Aufklärung als vor allem darum, ihre angebliche Unfehlbarkeit zu rechtfertigen.

Neben Notenbankchef Mervyn King musste unter anderem auch der Chef der Finanzaufsicht, Adair Turner (im Bild), den Abgeordneten Rede und Antwort stehen. (Foto: Bloomberg)

In Tausenden E-Mails wird ein Argumentations-Muster immer wieder deutlich: Man habe selbst mit dem Skandal nichts zu tun, sondern stattdessen der jeweilige Vorgesetzte. Außerdem schieben sich Banken und Aufsichtsbehörden die Vorwürfe gegenseitig zu. "Wir haben rechtzeitig auf interne Mängel der Kontrolle bei Barclays hingewiesen", erklärte der Chef der britischen Finanzmarktaufsicht Financial Services Authority (FSA), Lord Turner, vor dem Parlamentsausschuss. Gleichzeitig bestritt Turner ebenso wie Notenbankchef Mervyn King, die britische Großbank Barclays zu einer Zinsmanipulation angestiftet zu haben. King: "Barclays war im Abwehrmodus, was die Zusammenarbeit mit den Behörden anging." Als erstes Haus hatte Barclays dann ein Fehlverhalten eingeräumt und sich mit Behörden in den USA und Großbritannien auf eine Geldbuße von einer halben Milliarde Dollar geeinigt. In diesem Zusammenhang waren Konzernchef Bob Diamond sowie der zuletzt für das operative Geschäft zuständige Jerry del Missier Anfang Juli zurückgetreten.

Der Interbanken-Zins Libor wird täglich in London ermittelt und zeigt an, zu welchen Konditionen sich Banken untereinander Geld leihen. Er basiert auf Angaben der Großbanken und dient als Referenz für Kredite und weitere Finanztransaktionen in einem Volumen von 360 Billionen Dollar.

Mängel waren schon 2008 bekannt

Die Ermittlungen bei Barclays in Großbritannien und den USA begannen 2010. Nun kommt heraus, dass die Notenbank des US-Bundesstaats New York schon 2008 die BoE über Mängel bei der Libor-Festsetzung hingewiesen hat. In Großbritannien seien diese Warnsignale nicht ausreichend beachtet worden, kritisierte der Labour-Abgeordnete George Mudie. Die Dokumente sind auch brisant, weil US-Finanzminister Timothy Geithner damals der Vorsitzende der New York Fed war.

BoE-Chef King verteidigte dagegen das Vorgehen der Notenbank. Man habe die Warnungen aus den USA an die British Bankers Association (BBA), die für die Festlegung des Zinssatzes verantwortlich ist, weitergegeben, erklärte er in London. King: "Im übrigen gab es damals keine Hinweise auf illegale Manipulationen. Es ging nur um eine Verbesserung des Regelwerks." Aus E-Mails geht auch hervor, dass der Kontakt zwischen Ex-Barclays-Chef Bob Diamond und dem stellvertretenden Notenbankchef Paul Tucker offenbar doch intensiver war als bislang dargestellt.

Zuvor hatte Ex-Barclays-Manager Missier zugegeben, Mitarbeiter angewiesen zu haben, Zinssätze unterhalb des tatsächlichen Werts zu nennen. Dabei habe er auf Anweisung des damaligen Barclays-Chefs Diamond gehandelt. Nach Angaben Missiers seien Diamond, Notenbank und britische Regierung besorgt über hohe Zinskosten gewesen, die Barclays übermittelte. Die damalige Labour-Regierung wollte wohl vermeiden, nach der Lehman-Pleite weitere Unruhe an den Märkten zu stiften. Durch die Übermittlung eines niedrigeren Zinssatzes wollte Barclays seine Lage offenbar besser darstellen.

Weltweit laufen im Libor-Skandal Ermittlungen gegen mehr als ein Dutzend Großbanken. Analystenschätzungen zufolge drohen Instituten zum Teil milliardenschwere Strafen und Schadenersatz-Forderungen.

© SZ vom 18.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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