Libor-Manipulationen:Rain Man vor Gericht

Former trader Tom Hayes leaves Southwark Crown Court in London

"This goes much much higher than me", behauptet Thomas Hayes. Auf Deutsch: In den Fall sind Manager von ganz weit oben verwickelt.

(Foto: REUTERS)
  • Am Dienstag beginnt in London der erste Prozess gegen einen Banker, der in die Manipulationen des Referenz-Zinssatzes Libor verwickelt gewesen sein soll.
  • Tom Hayes soll gemeinsam mit anderen Händlern den Yen-Zins in die jeweils für ihn geeignete Richtung verschoben haben.
  • Das Verfahren ist der erste Versuch, nicht nur Banken als Ganzes, sondern auch einzelne Angestellte für die komplexen aber höchst lukrativen Tricksereien zu belangen. Insgesamt werden von den Ermittlern in Großbritannien und den USA 21 Banker als Beschuldigte geführt.

Von Björn Finke, London

Kollegen beschreiben ihn als hochintelligent, aber schüchtern und linkisch, manche nannten ihn Rain Man, wie den Autisten aus dem gleichnamigen Kinofilm. Für Ermittler in London ist er eine Schlüsselfigur in einem der größten Bankenskandale der vergangenen Jahre: An diesem Dienstag beginnt vor dem Southwark Crown Court, einem klobigen Bau am südlichen Themse-Ufer, der Prozess gegen Thomas Hayes. Dem 35-jährigen Briten wird in acht Fällen Verschwörung zur Manipulation des Zinssatzes Libor vorgeworfen. Hayes ist der erste Banker, der wegen Betrügereien bei diesem wichtigen Wert vor Gericht steht, andere sollen folgen.

Jahrelange Manipulationen am Zinssatz

Insgesamt werden 21 Banker von Ermittlern in den USA und Großbritannien als Beschuldigte geführt. Hayes drohen bis zu zehn Jahre Haft; der einstige Star-Händler plädiert auf unschuldig. Für die Vergehen zahlten Finanzkonzerne bereits neun Milliarden Dollar Strafe, die Deutsche Bank etwa einigte sich erst im April mit Aufsehern auf eine Buße von 2,5 Milliarden Dollar. Der Libor ist ein sogenannter Referenzzinssatz; die Zinssätze von Krediten und Wertpapieren im Volumen von 350 Billionen Dollar orientieren sich an diesem täglich ermittelten Wert. Doch Händler der Banken haben ihn offenbar über Jahre hinweg zum eigenen Vorteil manipuliert.

Finanzbehörden begannen schon 2008 mit ihren Untersuchungen. In der Folge schauten sich die Kontrolleure ebenfalls genauer an, wie weitere bedeutende Kurse auf den Finanzmärkten gesetzt werden. Und sie deckten unter anderem Manipulationen bei Devisengeschäften auf - allein hierfür mussten Banken in den vergangenen Monaten zusammen zehn Milliarden Dollar Strafe überweisen.

"This goes much much higher than me"

Das auf zehn bis zwölf Wochen angelegte Verfahren gegen Hayes ist nun der erste Test, ob es den Fahndern gelingt, nicht nur Banken, sondern auch einzelne Händler zur Rechenschaft zu ziehen - und hinter Gitter zu bringen. Zudem wird der Prozess weitere Einblicke in das zweifelhafte Geschäftsgebaren großer Banken liefern.

Thomas - oder Tom - Hayes wurde schon im Dezember 2012 verhaftet, und anfangs sagte er bereitwillig aus. Dem Wall Street Journal schrieb er vom Handy eine Textnachricht mit der vielversprechenden Botschaft: "This goes much much higher than me." Also: In den Fall sind Manager von ganz weit oben verwickelt.

Hayes wuchs im Westen Londons auf, studierte Mathematik, fing als Trainee bei der Royal Bank of Scotland an und wechselte 2006 zur Niederlassung der Schweizer Bank UBS in Tokio. Drei Jahre später warb ihn die dortige Filiale der US-Bank Citigroup ab, er soll mehr als drei Millionen Dollar Wechselbonus erhalten haben. Ein Jahr darauf heiratete er eine Anwältin, das Paar lebt mit dem gemeinsamen Sohn im Speckgürtel südlich von London. Trotz seiner hohen Bezüge erhält Hayes jetzt Prozesskosten-Hilfe vom Staat - das wird nur Bedürftigen gewährt.

Komplexe, aber lukrative Tricksereien

Der Anklage zufolge soll Hayes zwischen August 2006 und September 2010 zusammen mit Kollegen bei mindestens zehn anderen Banken und Brokern den Libor-Satz für Papiere in der japanischen Währung Yen gedreht haben. Hayes spekulierte mit Termingeschäften auf Yen-Zinsprodukte, er schloss also Wetten auf die Entwicklung dieses Satzes ab. Den Libor-Wert legte damals der britische Bankenverband BBA fest, auf Grundlage der Angaben von Finanzinstituten darüber, wie viel Zinsen sie untereinander zahlen müssen.

Hayes und seine Kumpanen in anderen Banken sollen dafür gesorgt haben, dass die Konzerne irreführende Daten schickten, damit sich der Yen-Libor in die gewünschte Richtung bewegt. Lukrative Tricksereien - für die Hayes nun einen hohen Preis zahlen könnte.

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