Lexikon:Motivation

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SZ-Grafik; Quelle: Statista (Foto: N/A)

Ihr haftet etwas Magisches an: Motivation zu erzeugen, scheint ebenso kompliziert zu sein, wie sie zu erhalten. Anders ist es nicht zu erklären, dass eine ganze Branche, die sogenannte Incentive Industry, von ihr lebt.

Von Lea Hampel

Das beste und schlimmste Beispiel zugleich liefert der Roman "The Circle" von Dave Eggers. Das gleichnamige Unternehmen bietet darin von firmeneigenen Hotelzimmern über Zirkusshows nach Feierabend bis zur Gesundheitsversorgung für die erweiterte Familie alles, was sich kein normaler Arbeitnehmer in seinen kühnsten Träumen ausmalen könnte. Und das alles nur, um eines zu kreieren: Motivation. Zu Recht gilt der Roman als "1984" des 21. Jahrhunderts, er ist so eindrucksvoll wie gruselig. Und wie sehr er zum Zeitgeist passt, zeigt sich daran, dass der Mitarbeitermotivation zentrale Bedeutung zukommt.

Nicht nur, aber vor allem im Deutschen ist die Motivation längst verbale Allzweckwaffe. Zum einen als wenig kreativer Ersatz für "Beweggründe", "Anliegen" oder, bei Stellenanzeigen, "Arbeitswut". Zum anderen klingt es schicker: mehr nach Fremdwort (die Wurzeln liegen im französischen "motif", Antrieb, sowie im lateinischen "movere", bewegen), weniger nach deutscher Fachsprache, und es ist sehr positiv besetzt - wer würde schon von der "Motivation" eines Mörders sprechen?

Dabei ist Motivation, per Definition wertneutral, heute als Voraussetzung für engagiertes Handeln zu verstehen. Und doch haftet ihr etwas Magisches an: Sie zu erzeugen, scheint ebenso kompliziert zu sein, wie sie zu erhalten. Anders ist es nicht zu erklären, dass eine ganze Branche aus Einzeltrainern, Feel-good-Managern und Kursleitern von ihr lebt und um sie einen Wirbel macht, als wäre ihr schieres Vorhandensein Erfolgsgarant und sie für Unternehmen Investitionen jeden Ausmaßes wert.

Gestützt wird dieses Narrativ von Studien. Darin rechnen Forscher vor, wie viel Umsatz durch unmotivierte Mitarbeiter verloren geht (100 Milliarden Euro im Jahr, zum Beispiel). Mindestens ebenso viele Untersuchungen ergründen, was Menschen motiviert und wie Motivation lange anhält. Entsprechend viele Ansätze zur Erzeugung des raren Gutes gibt es: Heißluftballonfahrten, Beteiligung an Steuerberaterkosten und Lob-Mails sind harmlose Varianten, die gruseligeren bestehen darin, dass Mitarbeiter ihre Dreckwäsche an der Pforte abgeben können.

Natürlich ist eine Hauptmotivation für Arbeit stets der schnöde Mammon. Das eigentlich Erfreuliche an den Studien ist aber: Zwar gibt es Unterschiede nach Land, Branche und Charakter, was uns zupacken lässt. Die Deutschen beispielsweise motiviert es besonders, wenn ein Arbeitgeber Sicherheit bietet. Aber: Viele Menschen arbeiten besonders gern, wenn sie nicht nur mit Geld belohnt werden, dem jährlichen Ausflug in den Freizeitpark oder dem schicken neuen Dienstwagen. Sondern die Schlüsselwörter lauten Anerkennung, Autonomie und Sinnhaftigkeit. Statt in Circle-Manier künstliche Anreize zu schaffen, sollte die Devise für Arbeitgeber deshalb lauten: her mit dem Sinn, dann kommt die Motivation von alleine.

© SZ vom 02.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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