Rüstung:Auf der Suche nach "Leoparden"

Rüstung: Er soll der Ukraine helfen, den Krieg gegen Russland für sich zu entscheiden: Der Kampfpanzer "Leopard 2" - hier in einer Fabrikhalle von Krauss-Maffei Wegmann.

Er soll der Ukraine helfen, den Krieg gegen Russland für sich zu entscheiden: Der Kampfpanzer "Leopard 2" - hier in einer Fabrikhalle von Krauss-Maffei Wegmann.

(Foto: Imago Stock&People)

Der Druck auf die Bundesregierung steigt, Kampfpanzer vom Typ "Leopard 2" an die Ukraine zu liefern. Die Frage ist nur: Wie viele könnten davon kurzfristig abgegeben werden? Und von wem?

Von Thomas Fromm

Mit einem gebrauchten Kampfpanzer, sagen diejenigen, die häufig mit ihm zu tun haben, sei es auch nicht viel anders als mit einem älteren Auto. Wenn so ein Fahrzeug jahrelang herumsteht, ohne benutzt zu werden, dann wird die Sache nicht besser.

Schon gut also, wenn diese Panzer dann in einer trockenen Halle herumstehen. Sehr oft aber stehen sie auch irgendwo zusammen mit anderen Panzern in der Gegend herum. Irgendwo auf einem abgezäunten Waldstück, auf einer großen Wiese. Dann gibt es nach einer Weile vielleicht Schimmel im Innenraum, Dichtungen, die nicht mehr abdichten, Kabelstränge, die erneuert werden müssen, poröse Gummiteile, Hydraulik, die nichts mehr taugt. Insofern ist es wohl sehr realistisch, was der Chef des Düsseldorfer Rüstungskonzerns Rheinmetall, Armin Papperger, in diesen Tagen sagte: Selbst wenn morgen die Bundesregierung entscheiden sollte, "dass wir unsere Leopard-Panzer nach Kiew schicken dürfen", würde es bis Anfang nächsten Jahres dauern, bis es so weit ist. Denn um die ausgemusterten Kampfpanzer zu reparieren und einsatzfähig zu machen - "instandzusetzen", sagen sie in der Industrie dazu -, braucht es ein Jahr, mindestens.

Es geht ja nicht darum, irgendwann zu liefern. Sondern schnell

Die epische Dauer der Reparaturzeit ist nicht ganz unwichtig, denn wenn die Forderungen nach Panzerlieferungen an die Ukraine in diesen Tagen immer lauter werden, dann geht es nicht darum, irgendwann zu liefern. Sondern: möglichst schnell.

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski fordert schon seit Langem deutsche Kampfpanzer. Wenn jetzt aber auch Polen oder Finnland deutsche Leopard-2-Kampfpanzer abgeben wollen, wenn das Europaparlament Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auffordert, die Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an die Ukraine zu ermöglichen, dann wächst der Druck. Auch weil die Bundesregierung Exporte freigeben muss. Großbritannien hat bereits den Export von Kampfpanzern vom Typ Challenger 2 angekündigt, die USA könnten folgen.

Wie soll so ein europäisches Leopard-Konsortium am Ende also aussehen? Wenn nun der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki seine europäischen Partner davon überzeugen will, insgesamt 100 Kampfpanzer in die Ukraine zu entsenden, dann stellt sich vor allem die Frage: Wo sollen die herkommen, wer soll sie liefern?

Rheinmetall hat noch irgendwo 22 Gebrauchtpanzer stehen. Die müssen aber erst mal repariert werden

Rheinmetall-Chef und Gebraucht-Panzer-Instandsetzer Papperger, der vor Jahren von der Bundeswehr ausgemusterte Leopard 2 aufgekauft hat, hätte derzeit 22 Exemplare im Angebot, die, wie er sagt, innerhalb eines Jahres ausgeliefert werden könnten. Krauss-Maffei Wegmann, der Hersteller des Leopard 2 aus München, hat, so heißt es aus Unternehmenskreisen, derzeit keine Kampfpanzer auf Lager. Und die Bundeswehr? Hatte von den insgesamt 3600 Kampfpanzern, die seit 1979 gebaut wurden, früher einmal einen großen Teil davon im eigenen Portfolio. Zurzeit sollen es gerade noch wenig mehr als 300 sein. Die Frage ist nun: Kann man davon ernsthaft größere Kontingente abgeben, ohne die eigene Einsatzfähigkeit zu gefährden? Und wo wäre hier die Grenze, wie viele dürften es maximal sein?

Polen, Finnland und Spanien - aber auch Länder wie Griechenland und die Türkei hatten über Jahre hin bei Krauss-Maffei Wegmann eingekauft und sich Hunderte Kampfpanzer des Exportschlagers Leopard 2 gesichert. Aber wer wird am Ende wie viele abgeben?

Am Bau eines Kampfpanzers sind an die 1000 Zulieferer beteiligt

Dass auf die Schnelle neue Panzer gebaut werden, gilt als sehr schwierig. "Wir haben eh noch keinen Auftrag", heißt es in der Industrie. Man brauche dann vor allem eine Herstellgenehmigung aus Berlin, und so etwas dauere. Und dazu käme dann eine sehr lange Herstellungs- und Lieferkette: Um einen Leoparden zu bauen, schätzen Insider, braucht es an die 1000 Zulieferunternehmen - die selbst wiederum planen müssen. Bevor also Kraus-Maffei Wegmann neue Kampfpanzer baut, muss vieles bestellt sein - von der 120-mm-Glattrohrkanone von Rheinmetall bis zum Getriebe des Augsburger Zulieferers Renk. Und vieles andere mehr.

Und dann sei da noch die Frage der Finanzierung. Zahlt die Ukraine? Drittländer? Die EU? "Wir können ja nicht mit ein paar Hundert Millionen Euro in Vorleistung treten", sagt einer aus der Branche. Man müsse auch auch "Personal und unsere Zulieferer bezahlen".

Flugabwehrkanonenpanzer vom Typ Gepard, Schützenpanzer Marder - all das ging bisher. Beim schweren Kampfpanzer Leopard 2 aber, mit dem die Ukraine von Russland besetztes Gebiet zurückerobern und die Stellungen der Angreifer durchbrechen will, lag immer die rote Linie. Bis zu dieser Woche jedenfalls. Sollte das Tabu fallen, dann bräuchte man in wenigen Tagen - oder vielleicht auch Stunden - einen Plan. "Noch bis vor einigen Jahren war die vorherrschende Meinung eh: So etwas brauchen wir nicht mehr", sagt einer aus der Rüstungsindustrie. Und jetzt habe man einen Krieg in Europa, der von der Art der Kriegsführung her doch sehr an den Zweiten Weltkrieg erinnere.

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