Leitzins unverändert:Europäische Zentralbank lässt sich nicht beeinflussen

Wie erwartet: Trotz oder wegen allerlei Ratschläge von Politikern und Ökonomen, die in den letzten Tagen auf die EZB niederhagelten, werden die Leitzinsen bei zwei Prozent belassen.

Von Helga Einecke

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat politischen Forderungen aus Deutschland und Frankreich nach einer Senkung der Leitzinsen eine Absage erteilt. Sie ließ ihren Ausleihesatz für Banken bei 2,0 Prozent, ebenso wie die Bank von England bei 4,0 Prozent blieb. Der Eurokurs reagierte kaum.

Leitzinsen

Selbst wenn Trichet und Greenspan Handlungszwang spüren sollten - nach derart massiven Beeinflussungsversuchen bleibt ihnen kaum eine andere Wahl, als ihn nicht zu spüren. Foto: sueddeutsche.de

EZB-Präsident Jean-Claude Trichet bezeichnete das Niveau der Leitzinsen als angemessen. Eine Veränderung der Zinsen sei erwogen worden wie in jeder anderen Sitzung des EZB-Rates auch. Aber es fehle in der Eurozone nicht an Liquidität, Kapital oder Sparvolumen, sondern an einem "bisschen Vertrauen" für mehr Konsum und Investitionen.

Trichet gab zu erkennen, dass er die Kritik von Ökonomen und Politikern zwar genau verfolgt hat. Diese sei aber nicht gerechtfertigt. Die EZB müsse ihre Entscheidungen vollkommen unabhängig treffen, wie es im Vertrag von Maastricht festgelegt sei. "Wir sollten in keinerlei Richtung zu beeinflussen sein, weder in eine positive noch in eine negative", sagte er zu Forderungen mehrerer Regierungschefs - darunter von Bundeskanzler Gerhard Schröder - nach Zinssenkungen.

Preisentwicklung "günstig"

Die Aussichten für die Preise in der Eurozone nannte Trichet "günstig". Die Inflationsrate sei im Einklang mit der Preisstabilität. Die Bürger in der Eurozone könnten sich auf den Geldwert auch in Zukunft verlassen und deshalb durchaus Vertrauen in die Zukunft fassen. Der EZB-Präsident verband den günstigen Ausblick auf die Preisentwicklung mit einem Appell an die Verbraucher zum Konsum. Ein Teil der Zurückhaltung könne auch mit der Empfindung einer gefühlten, aber nicht durch Zahlen belegbaren Inflation zusammenhängen.

Den Rückgang der Inflationsrate im Februar auf 0,6 Prozent - und damit unter das bei knapp zwei Prozent angesetzte Preisziel - begründete Trichet mit einem Basiseffekt bei den Energiepreisen. Dies sei nur eine Momentaufnahme und es müsse in den nächsten Monaten mit einem Auf und Ab gerechnet werden. In Bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung sprach der EZB-Präsident von einem moderaten Wachstum Anfang 2004 in der Eurozone. In der Außenwirtschaft werde der globale Aufschwung für ein "sichtbares" Ansteigen der Exporte in diesem und im kommenden Jahr sorgen. In der Binnenwirtschaft seien die Bedingungen für eine Erholung des privaten Verbrauchs gegeben. Die Investitionen stabilisierten sich.

Höherer Konsum wird erwartet

Steuererleichterungen und niedrigere Einfuhrpreise könnten den Konsum ankurbeln. Die EZB hält deshalb an ihrer Erwartung fest, dass es in diesem und im nächsten Jahr zu einer stetigen Erholung kommen wird. Entscheidend für diese Erholung sei das Vertrauen der Bevölkerung in die Zukunft. Wegen der Unsicherheit über den richtigen Weg zu Reformen sei dieses Vertrauen noch zu gering.

Nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters zeigten sich einige Analysten darüber enttäuscht, dass Trichet nicht einmal einen Hinweis auf eine mögliche Zinssenkung gegeben hat. Besondere Aufmerksamkeit erhielten die beiden Wörter "angemessen" und "günstig". Ein angemessenes Zinsniveau gibt keinen Hinweis auf eine Änderung der Geldpolitik. Aber die günstigen Preisaussichten zeigen auch einen Mangel an Risiken für den Anstieg der Lebenshaltungskosten und weisen auf einen Handlungsspielraum hin.

Zinssenkung im 2. Quartal?

Howard Archer von Global Insight sagte, die EZB werde im zweiten Quartal die Zinsen senken. Die Wirtschaft in der Eurozone habe Mühe, Fahrt aufzunehmen. Lee Ferridge von der Rabobank sieht die Tür für niedrigere Zinsen überhaupt nicht geöffnet. Die Risiken für die Preisstabilität seien als ausgeglichen bezeichnet worden. Daniel Pfänder von Dresdner Kleinwort Wasserstein sieht ebenfalls keine Änderung in der Haltung der EZB.

Claudia Windt von der Helaba zeigte sich erstaunt, wie wenig Trichet auf die verhaltenere Konjunkturentwicklung eingegangen sei. Er habe nicht einmal Hoffnungen auf eine Zinssenkung gemacht. Lediglich die Sorge um den Konsum lasse einen winzigen Spalt in der Zinstür offen. Otmar Lang von der Deutschen Bank glaubt, dass die europäische Notenbank von einer Leitzinsänderung auf absehbare Zeit absieht.

Auf die Entwicklung des Eurokurses ging Trichet im übrigen nicht mehr ausdrücklich ein. Er wiederholte lediglich seine schon früher gemachte Aussage, wonach die außergewöhnlichen Schwankungen an den Währungsmärkten nicht im Sinne der Notenbanken seien. Er wollte auch nichts zu der Frage sagen, ob die EZB in den vergangenen Wochen aktiv am Devisenmarkt eingegriffen habe.

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