Leitzins:Aufbruch in die Normalität

The Fed is expected to raise the benchmark lending rate later  at the conclusion of its two-day meeting, but analysts questioned whether the latest data would prompt Fed Chair Janet Yellen to signal a backing off of a plan for a third interest rate increa

Spaziergänger vor der US-Notenbank Fed, die erneut ihren Leitzins angehoben hat.

(Foto: Andrew Caballero-Reynolds/AFP)

Die US-Notenbank Fed erhöht erneut den Leitzins und kündigt den Abbau ihres gewaltigen Anleihedepots an. Doch die Daten, die derzeit aus der Wirtschaft kommen, zeichnen ein widersprüchliches Bild der Konjunkturlage.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Der Fahrplan steht, nun muss nur noch die Realität Schritt halten: Die US-Notenbank Fed hat zum dritten Mal seit Dezember ihren Leitzins angehoben und zugleich die Marschroute für einen Abbau ihrer gewaltigen Anleihebestände festgelegt. Der Tagesgeld-Zielkorridor, die Richtspanne für Kurzfristkredite der US-Banken untereinander, liegt jetzt bei 1,0 bis 1,25 Prozent, ein Viertelprozentpunkt höher als zuvor. Entwickelt sich die Wirtschaft wie erhofft, dürften allein in diesem und nächstem Jahr weitere vier Zinsschritte folgen. Ende 2019 soll der Satz mit drei Prozent wieder ein Niveau erreichen, das früher einmal als "neutral" galt. Ihre Anleihebestände von mehr als vier Billionen Dollar will die Fed nach einer Anlaufphase um 50 Milliarden Dollar pro Quartal verringern.

Mit ihren Beschlüssen setzt die Notenbank in politisch und wirtschaftlich unsicheren Zeiten ein Zeichen der Hoffnung. Tatsächlich nämlich bedeuten die Entscheidungen nichts anderes, als dass die Währungshüter die Konjunkturlage für so robust halten, dass Firmen und Verbraucher eine Straffung der Geldpolitik verkraften können. Ziel der Fed ist es, der Wirtschaft ein gesundes Wachstum zu ermöglichen, die Arbeitslosigkeit gering und die Inflationsrate in der Nähe ihres Zielwerts von zwei Prozent zu halten. Zinserhöhungen dämpfen die Wirtschafts- und die Preisentwicklung tendenziell, Zinssenkungen befeuern sie. Wegen der tiefen Wirtschafts- und Finanzkrise von 2008 und 2009 liegen die Leitzinsen seit Jahren auf einem historisch niedrigen Niveau. Nach einem ersten zaghaften Versuch im Dezember 2015 hatte die Fed erst vor sechs Monaten eine echte geldpolitische Wende eingeleitet.

So richtig diese Wende nach Ansicht fast aller Beobachter prinzipiell ist, so widersprüchlich sind die Zahlen, die derzeit aus der Wirtschaft kommen. So ist die Arbeitsmarktlage noch besser als erwartet, mit 4,3 Prozent sank die Erwerbslosenquote auf den niedrigsten Stand seit 16 Jahren. Zugleich hat der spürbare Anstieg der Löhne bisher nicht auf die allgemeine Preisentwicklung durchgeschlagen. Im Gegenteil: Die Inflationsrate sank binnen vier Monaten von 2,7 auf 1,9 Prozent und fiel damit wieder unter die Zwei-Prozent-Zielmarke der Fed. Zumindest ad hoc wäre also keine Zinserhöhung nötig gewesen. Die noch bedeutendere Kernrate, die Branchen wie den Energie- und den Lebensmittelsektor wegen ihrer starken Preisschwankungen ausklammert, liegt mit 1,7 Prozent gar auf dem niedrigsten Wert seit zwei Jahren.

Von einem Dilemma sprechen die Volkswirte der US-Großbank Goldman Sachs bereits, denn im schlechtesten Fall würde die Fed einen Aufschwung stoppen, ohne dass dies von der preislichen Seite her nötig gewesen wäre. Umgekehrt könnte eine zu laxe Geldpolitik aber auch zu einem raschen Anstieg der Inflation führen. In dem Fall müsste die Fed mit viel stärkeren Zinserhöhungen gegensteuern, die das Wachstum erst recht abwürgen würden. Torsten Sløk, Weltwirtschaftsexperte der Deutschen Bank in New York, hält den Kurs langsamer stetiger Zinsanhebungen daher prinzipiell für richtig: "Die Wahrscheinlichkeit einer Überhitzung in den USA ist höher als die Wahrscheinlichkeit einer Rezession - und das wird die Inflation im Laufe des Jahres 2017 in die Höhe treiben", erklärte er.

Der Zinsabstand zwischen den USA und Europa erhöht sich

Die Notenbank selbst begründete die jetzige Zinserhöhung mit der verbesserten Arbeitsmarktlage und der "moderat gestiegenen Wirtschaftsleistung". Auch die Ausgaben der privaten Haushalte und die Investitionen der Unternehmen hätten weiter angezogen. Die Fed betonte, auch mit einer Zielspanne von 1,0 bis 1,25 Prozent werde die Wirtschaftsentwicklung noch gefördert und nicht etwa gehemmt. Sie kündigte allerdings auch an, die Entwicklung der Inflationsrate "genau zu beobachten".

Gleichzeitig will die Fed ihren Bestand an Staatsanleihen und Pfandbriefen deutlich reduzieren. Ihr Kauf hatte dazu gedient, neben den kurz- auch die langfristigen Zinssätze zu senken. Den Erwerb zusätzlicher Papiere hat die Fed schon vor mehr als drei Jahren gestoppt, sie reinvestierte aber bisher die Erlöse aus auslaufenden Geschäften. Damit ist nun Schluss. In einem ersten Schritt soll die Bilanzsumme um zehn Milliarden Dollar sinken - sechs Milliarden Dollar an Staatsanleihen und vier Milliarden an Pfandbriefen. Anschließend soll der Betrag alle drei Monate im gleichen Verhältnis um je zehn Milliarden Dollar steigen, bis das Anleihedepot der Notenbank schließlich um 50 Milliarden Dollar pro Quartal schrumpft. Fed-Chefin Janet Yellen sprach von einem "gewissenhaft vorbereiteten Plan, mit dem Spannungen auf den Märkten vermieden werden sollen". Ziel seien gleichmäßige, vorhersehbare Schritte. Wann genau die Fed den Startschuss für das Programm geben wird, ist allerdings noch offen. Yellen sagte, wenn sich die Wirtschaft so entwickle wie erwartet, könne es "relativ bald" los gehen.

Mit beiden geldpolitischen Schritten erhöht sich der Zinsabstand zwischen den USA und Europa weiter. Zwar hat auch die Europäische Zentralbank( EZB) angekündigt, ihren Kurs der ultra-lockeren Geldpolitik zu beenden. Bis zur ersten Zinserhöhung und einem Rückbau der Bilanz dürfte es aber noch eine Weile hin sein. US-Finanzanlagen werden damit für Investoren zunächst noch einmal attraktiver. Damit könnte auch der Dollar seine leichte Schwächephase überwinden und gegenüber dem Euro wieder zulegen. Der EZB käme diese Entwicklung - auch wenn die Notenbanker das so nicht sagen - gelegen, denn sie würde die europäische Exportwirtschaft stärken und die weiter recht niedrige Inflationsrate tendenziell nach oben treiben.

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