Wer in den USA versucht, die so wichtige Bewegung Black Lives Matter auszubremsen, ruft gerne: All Lives Matter. Das klingt wie eine menschenfreundliche Banalität. Jedes Leben zähle, egal welche Hautfarbe. In Wirklichkeit aber ist es ein Kampfslogan, der davon ablenken soll, dass systemischer Rassismus dazu führt, dass die eine Gruppe ihr Leben sehr viel leichter verliert, etwa durch Polizeigewalt, als die weiße Mehrheit.
Mit der Frauenförderung in Unternehmen ist es natürlich anders und trotzdem gibt es Parallelen. Es geht nicht um eine Minderheit und meist nicht um Leben und Tod. Doch auch den Frauen auf dem Weg nach oben stehen strukturelle gesellschaftliche Hürden im Weg, die eine lange Geschichte haben. Und wenn man deutsche Unternehmen nach Programmen befragt, mit denen sie Frauen unterstützen, damit sie in der Hierarchie aufsteigen, bekommt man ganz schnell die immer gleiche Antwort: Diversität ist uns superduper wichtig, aber um das gleich klar zu stellen, Männer sind bei allen Networking-Initiativen, Coachings und was es sonst so gibt auch willkommen. Es will ja keiner in den Verdacht kommen, Männer zu diskriminieren. All employees matter.
Diese Haltung verwässert das Ganze, denn Männer sind nun einmal von manchen strukturellen Hürden gar nicht oder nur selten betroffen. Unternehmen müssen daran arbeiten, dass diese Hürden abgebaut werden - und zwar gezielt. Ein Beispiel: Da es nun einmal die Frauen sind, die die Kinder bekommen, ist für sie der Wiedereinstieg in den Beruf nach Mutterschutz und Elternzeit oft schwierig.
Schlechte Aufstiegschancen liegen oft an einer miesen Unternehmenskultur
Doch meist sind die Probleme, die Frauen ausbremsen, gar keine Frauenprobleme. Es sind Menschenprobleme. Deshalb braucht es keine Frauenförderung, sondern Menschenförderung. Viele Förderprogramme, die auf Frauen ausgerichtet sind, fußen auf Klischees: Frauen sind nun einmal so und so. Man muss sie nun einmal ganz besonders motivieren. Sie trauen sich einfach nichts zu und so weiter. Gute Personalpolitik sieht anders aus.
Was Menschen bei ihrem Aufstieg in obere Führungsetagen im Weg steht, ist oft eine miese Unternehmenskultur. Sie schreckt Frauen vielleicht zuerst ab, weil sie womöglich schneller bereit sind, zu sagen, dass sie sich das hier nicht antun müssen. Aber sie verdrängt auch alle Männer, die nicht zu den immer gleichen weißen, mittelalten bis alten Superegos gehören. Sie ist unattraktiv für alle, die keine Lust haben auf Armdrücken und Machtspielchen. Sie stößt alle ab, die anders sind. Kurzum: Sehr viele Menschen, die neue Perspektiven und Ideen einbringen könnten, machen nicht mit, weil sie anders arbeiten wollen.
Wie dieses andere Arbeiten nun aber aussehen soll, das müssen Arbeitgeber gestalten. Es braucht eine Personalarbeit, die sich zum konkreten und messbaren Ziel setzt, nicht die Immergleichen zu befördern, sondern die Unternehmenskultur zu verbessern - mit Mentoring und Coaching für alle, die wollen, mit Seminaren, die das Wichtige behandeln, etwa unbewusste Vorurteile, mit demokratischen Prozessen, in denen bestimmt wird, wie die Unternehmens- und Führungskultur aussehen soll, mit kreativen Ideen wie der Möglichkeit, Jobwechsel in andere Abteilungen oder in Führungspositionen für eine gewisse Zeit ausprobieren zu dürfen, um zu sehen, ob das vielleicht doch was für einen ist.
Auch der ganzen Gesellschaft hilft eine echte, klischeefreie Gleichstellung in den Unternehmen. Welcher Mann will denn heute noch Alleinverdiener sein? Abends nach Hause kommen, abgekämpft von der Erwerbsarbeit und dem Stammtisch-Gegockel, die Kinder schlafen vielleicht schon. Dann vor dem Fernseher einschlafen. Vorm Insbettgehen noch schnell ein Blick in die Akten und E-Mails. Und am nächsten Tag das Gleiche von vorn. Das macht unglücklich. Wer dafür sorgen will, dass die Menschen glücklicher sind, muss Männer und Frauen arbeiten und aufsteigen lassen, damit sie sich sowohl die Erwerbsarbeit als auch die Care-Arbeit besser teilen können. Glückliche Menschen arbeiten übrigens auch besser.
Auf die zu verzichten, die nicht mitmachen beim Egogerangel, ist jedenfalls ein Fehler - nicht erst seitdem es ein regelrechtes Wettrennen um Fachkräfte und Toptalente gibt. Und diesen Fehler vermeidet man am besten, indem man die Wurzel des Problems bekämpft: das Egogerangel.