Leitartikel:18 Freunde müsst ihr sein

Die uneingeschränkte Solidariät in der Fußball-Bundesliga ist in Gefahr. Der FC Bayern München, ohnehin wirtschaftlich und sportlich die Nummer eins, will mehr Geld für die Fernsehrechte. Völlig zu Recht.

Von Caspar Busse

Die Zahlen sind fast so beeindruckend wie die derzeitige sportliche Bilanz. Der Umsatz der FC Bayern München AG liegt 2014/15 bei mehr als einer halben Milliarde Euro, der Gewinn erreichte mit 24 Millionen Euro Rekordniveau, das Eigenkapital ist üppig. Keine Frage: Der Rekordmeister steht derzeit ausgesprochen gut da und ist auch in der Bundesliga spitze.

Trotzdem betont Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandsvorsitzende der FC Bayern München AG, immer wieder: "Wir brauchen mehr Geld." Erst vor wenigen Wochen war er in geheimer Mission beim Bundeskartellamt in Bonn und hat ausgelotet, was für den FC Bayern beim anstehenden Verkauf der Fernsehrechte noch alles rauszuholen ist. Die Visite, so legitim sie auch ist, hat bei vielen anderen Vereinen Unruhe ausgelöst, denn sie fürchten nun um die Solidarität in der Bundesliga.

Der deutsche Spitzenfußball funktioniert nach einem manchmal etwas altmodisch wirkenden System. Die Fernsehrechte werden zentral von der Deutschen Fußball Liga (DFL) verkauft. Die Erlöse fließen derzeit in einen großen Topf und werden dann nach einem bestimmten Schlüssel an die jeweils 18 Vereine der ersten und zweiten Liga verteilt. Die Folge ist eine Nivellierung: Die Schwächeren erhalten überproportional viel Geld, die Stärksten dagegen deutlich weniger. Für den FC Bayern hat das erhebliche Auswirkungen: Er bekommt momentan etwa 50 Millionen Euro im Jahr aus den Fernsehgeldern. Würde er die Rechte auf eigene Faust verkaufen, könnte es vielleicht das Vierfache sein. Denn für Bayern-Spiele würden die Sender deutlich mehr zahlen als für Partien zwischen dem Letzten und dem Vorletzten.

Mit Kapitalismus und strengem Konkurrenzdenken hat dieses System wenig zu tun. Das ist auch der Grund, warum das Kartellamt sich den Fall genau anschauen und grünes Licht für die sogenannte Zentralvermarktung geben muss. Für die hohe Solidarität im Fußball gibt es aber auch gute Gründe. Damit soll die wirtschaftliche Chancengleichheit innerhalb der Bundesliga gewahrt werden. Wenn sich Vereine finanziell und sportlich uneinholbar absetzen, leidet die Spannung und die Attraktivität - zum Nachteil aller 18 Klubs der Liga. Die Starken würden noch stärker, die Schwachen noch schwächer. Das zeigt sich ja bereits jetzt: Der FC Bayern München ist mehr denn je die unangefochtene Nummer eins. Die Liga wird langweilig und könnte an Anziehungskraft verlieren.

Trotzdem ist es richtig, wenn Bayern-Chef Rummenigge darüber nachdenkt, wie er die Einnahmen erhöhen kann. Denn die europäischen Konkurrenten verfügen über deutlich mehr Kapital, das verzerrt den Wettbewerb. Die englische Liga beispielsweise bekommt für die Fernsehrechte demnächst mehr als zwei Milliarden Euro. Die Vereine schwimmen im Geld und könnten die Profis mit hohen Angeboten locken. Manchester United etwa soll schon unvorstellbare 100 Millionen Euro für Nationalspieler Thomas Müller offeriert haben. Da kann auch der FC Bayern München auf Dauer nicht mithalten.

Die englische Liga profitierte zuletzt davon, dass es zwei aussichtsreiche Interessenten für die Fernsehrechte gab, die sich gegenseitig hochgeboten haben. Wie nachhaltig dieser Boom ist, muss sich freilich erst noch zeigen. Denn zu hohe Preise sind über Werbung oder Abo-Einnahmen langfristig kaum finanzierbar.

Ein Wettbieten um die TV-Rechte wird es in Deutschland nicht geben

Das zeigt sich auch in Deutschland: Ein Wettbieten wie in England ist hierzulande momentan nicht absehbar. Der Bezahlsender Sky ist wohl der einzige potente Interessent für die Bezahlrechte. Da kann sich Rummenigge noch so viel Wettbewerb um die Ware Bundesliga wünschen, es gibt keinen. Für die Rechte im frei empfangbaren Fernsehen interessieren sich vor allem die öffentlich-rechtlichen Sender, vielleicht auch noch RTL. Mit sehr viel Glück wird die DFL die jährlichen Fernseheinnahmen künftig auf vielleicht eine Milliarde Euro im Jahr steigern können. Schneller, höher, weiter - das Motto gilt vielleicht im Sport, aber nicht unbedingt in wirtschaftlicher Hinsicht.

Rummenigge ist in einem Dilemma. Er weiß, wie wichtig der Solidaritätsgedanke in Deutschland ist. Ihm schwebt deshalb eine Art Solidarfonds vor, der dann auch an die schwächeren Vereine ausschüttet. Andererseits will er aber deutlich mehr Geld für den FC Bayern erlösen und dazu seinen eigenen Weg gehen, gegen die anderen.

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