Lehren aus der Lehman Brothers-Pleite:Zombie-Banken unter Beobachtung

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Fünf Jahre nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers hat sich einiges geändert im Finanzsektor. Doch wie gut sind die Institute heute gegen eine Krise gewappnet? Würden deutsche Banken ein "Lehman 2.0" überstehen?

Die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers am 15. September 2008 führte das Finanzsystem an den Rand der Kernschmelze. Könnte das morgen wieder passieren?

Theoretisch ja, doch praktisch werden wohl keine Politiker und keine Notenbanker noch einmal riskieren, dass eine wichtige Bank umfällt und die Branche mit in den Abgrund zu reißen droht. Sicherer ist das Finanzsystem aber kaum geworden, da sind sich Experten einig. "Wir haben seit dem Zusammenbruch von Lehman Brothers vor fünf Jahren zwar konzeptionell viele Fortschritte gemacht, aber oft mangelt es noch an deren konkreter Umsetzung", sagte Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret. "Wenn es also morgen ein 'Lehman 2.0' geben würde, was ich nicht sehe, hätten wir die Instrumente, die wir konzeptionell entwickelt haben, noch nicht in den Händen, um Banken weltweit wirkungsvoll abzuwickeln. Die grundlegenden Probleme sind also alles andere als gelöst."

Ein großes Problem stellt die potenzielle Erpressbarkeit der Staaten durch internationale Großbanken dar. Sind sie wirklich "too big to fail"? Also zu groß, als dass man sie in einer Schieflage einfach fallenlassen könnte? Bei Lehman hatte es die US-Regierung drauf ankommen lassen und wurde eines Besseren belehrt. Als Lehman-Chef Richard Fuld nicht schnell genug frisches Kapital auftreiben konnte, um den rapiden Wertverlust seiner riskanten Anlagen auszugleichen, und in Washington anklopfte, ließ ihn die Regierung abblitzen. Fuld blieb am Ende nur der Weg zum Konkursrichter. Lehman ging pleite.

"Ein Pflaster auf den Patienten geklebt"

Von dem Schock hat sich die Finanzbranche bis heute nicht erholt. Das Vertrauen unter den Kreditinstituten ist auch nach fünf Jahren nicht wieder hergestellt, ohne Sicherheiten leiht kaum eine Bank der anderen Geld, wenn sie keinen einwandfreien Ruf hat. Dafür springen die Notenbanken mit Milliarden-Finanzspritzen in die Bresche. "Die Europäische Zentralbank hat mit ihrer Liquidität ein Pflaster auf den kranken Patienten geklebt. Das hat die Blutung gestoppt, aber ihn nicht geheilt", sagt ein ranghoher Branchenvertreter. "Wir sollten uns da nicht in falscher Sicherheit wiegen."

Für Professor Helmut Siekmann, der an der Universität Frankfurt Notenbank-Recht und Bankenregulierung lehrt, steht fest: "In Europa schleppt man marode - eigentlich untote - Banken mit fragwürdiger Hilfe von Notfall-Liquidität der Notenbanken durch, damit sie nicht dem Steuerzahler zur Last fallen." Selbst Aufseher nennen solche Institute hinter vorgehaltener Hand "Zombie-Banken".

Die Geldhäuser gehen dagegen in Verteidigungsstellung: "Die Gefahr, dass es erneut zu einem Flächenbrand kommt, ist aus meiner Sicht deutlich zurückgegangen", sagt etwa der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB), Michael Kemmer. "Die Banken sind heute deutlich krisenfester als 2008. Sie haben ihr Eigenkapital um viele Milliarden gestärkt."

Wo die nächste Blase platz, lässt sich schwer vorhersagen. "Krisen wiederholen sich nicht - sie kommen immer aus einer anderen Ecke", sagte BdB-Hauptgeschäftsführer Kemmer. Und die Bankenaufseher wissen: Es muss vor allem darum gehen, die Folgen eines Finanzschocks abzumildern. Die Deutsche Bank zum Beispiel wäre viel zu wichtig für die Wirtschaft und zu vernetzt, als dass sie der Staat einfach fallenlassen könnte.

© Süddeutsche.de/Reuters/Alexander Hübner/jst - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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