Lehman-Pleitier Richard Fuld:Vom Gorilla zum Psychopathen

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Richard Fuld 2008 im US-Kongress (Foto: Jonathan Ernst/Reuters)

Richard Fuld war der letzte Chef der Pleite-Bank Lehman Brothers. Er gilt als Symbol für grenzenlose Gier, Verschwendung und Missmanagement. Strafrechtlich wurde der Banker mit dem Spitznamen "Gorilla" nie belangt. Beruflich kam er aber nicht mehr auf die Beine.

Von Mirjam Hauck

Der Zusammenbruch der viertgrößten US-Investmentbank Lehman Brothers am 15. September 2008 schockt die Welt. Die Bank, die wie andere Institute wegen des Engagements in zweitklassige US-Immobilienkredite Milliarden Dollar Abschreibungen verbucht, muss Insolvenz anmelden. Der Staat will sie nicht retten und eine Übernahme durch die britische Barclays Bank scheitert in letzter Minute. Der Lehman-Crash hinterlässt Schulden von über 600 Milliarden Dollar. Die Börsen stürzen ab. Die schwerste Rezession der Nachkriegszeit beginnt.

Bilder von entlassenen Lehman-Mitarbeitern gehen um die Welt - wie sie mit einem Karton voller Habseligkeiten ihre Büros in New York und London verlassen.

Chef von Lehman Brothers und damit auch das Gesicht und der Bösewicht der Krise war Richard "Dick" Fuld. Als Vorstandschef der Bank bezieht er im Krisenjahr 2008 noch ein Gehalt von 80 Millionen Dollar und wird von der Financial Times zum überbezahltesten CEO der Wall Street gekürt. Zwei jahre zuvor hatte das Institutional Investor Magazine Fuld zum höchsten amerikanischen CEO gekürt.

"Ich fühle mich schrecklich"

Er ist wie viele Wall-Street-Größen extrem eitel und ehrgeizig. Fulds Spitzname: Gorilla. Er bekommt ihn, weil er seine Mitarbeiter gern und häufig anbrüllt. Und offenbar freut er sich so sehr über diese Bezeichnung, dass er sich sogar ein ausgestopftes Exemplar in sein Büro stellt. Fuld ist auch bekannt für seine drastische Wortwahl: In einem internen Firmenvideo droht er Gegnern an, ihnen das Herz bei lebendigem Leib herauszureißen und es zu verschlingen.

Der Mann, der seine Bank in die Pleite geführt und damit Milliardensummen und ganze Existenzen vernichtet hat, schreibt einen Tag nach der Insolvenz lapidar eine Abschiedsmail: "Die letzten paar Monate waren eine extreme Belastung, die darin gipfelte, dass wir Konkurs anmelden mussten. Für Sie alle war dies persönlich wie auch finanziell sehr schmerzhaft. Ich fühle mich deswegen schrecklich."

Verantwortlich fühlt er sich allerdings nicht, enschuldigt hat er sich nie: Im Oktober 2008 bei einer Anhörung im US-Kongress zur Finanzkrise, beschwert sich Fuld darüber, dass die amerikanische Notenbank Federal Reserve Lehman nicht geholfen und den Kollaps somit mitverschuldet habe. Er frage sich, warum die Regierung den Rivalen Bear Stearns und den Versicherer AIG gerettet habe. Im Saal beschimpfen ihn die Zuhörer, sie halten Plakate mit der Aufschrift "Schande" und "Stoppt die Gier" hoch.

Tatsächlich wird der Pleitebankier nie zur Verantwortung gezogen. Die US-Börsenaufsicht SEC zweifelt daran, dass Fuld sich schuldig gemacht habe. Im 4000 Seiten dicken Untersuchungsbericht heißt es, er habe fehlerhafte, aber keine strafbaren Entscheidungen getroffen.

"Hybris und Omnipotenz"

Er kommt davon, anders als beispielsweise die Verantwortlichen des zusammengebrochenen Energiekonzerns Enrons. Doch beruflich läuft es nicht mehr, er gilt als Verfemter der Wall Street. 2009 gründet er das Beratungsunternehmen Matrix Advisors, allerdings kommen kaum Kunden. Ein Jahr später geht er zum Broker Legend Securities. Allerdings bekommt er keine Broker-Lizenz. Er verlässt das Unternehmen wieder und heuert 2012 beim Giftmüll-Technologie-Vertreiber Gly Eco an.

Finanzielle Sorgen muss sich Fuld ohnehin nicht machen - auch wenn er aus Angst vor einer Pfändung seine 13-Millionen-Dollar Villa in Florida für 100 Dollar an seine Frau übertragen hat. Das Ehepaar fördert weiterhin als Mäzene das New Yorker Museum of Modern Art.

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Eine gewisse Karriere macht Richard Fuld allerdings noch in wissenschaftlichen Publikationen. Der Psychoanalytiker Mark Stein von der University of Leicester attestiert dem letzten Lehman-CEO "eine Hybris und Omnipotenz, die von einem überaus aggressivem Verhalten begleitet wurden". Sein Lebenslauf könne als ein Beispiel eines Vorzeigepsychopathen gedeutet werden.

Vor seinem Einstieg in die Finanzbranche war Fuld Pilot der US-Luftwaffe. Das sei ein Hochrisikoberuf, wie ihn nach ständigem Nervenkitzel gierende Psychopathen bevorzugten. Der Grund für Fulds Ausscheiden: Er hatte sich eine Schlägerei mit seinem Vorgesetzten geliefert, angeblich weil er den jungen Kadetten verspottet hatte. 1969 wird Fuld Wertpapierhändler bei Lehman Brothers. Eine Karierre beginnt.

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