Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe internationaler Hedgefonds, die nach der Pleite Forderungen kleinerer Anleger aufgekauft haben - in der Hoffnung, dafür später aus der Insolvenzmasse mehr Geld zu bekommen. Und die Hoffnung ist groß nach dieser Gläubigerversammlung: Frege stellt eine Insolvenzmasse von 15 Milliarden Euro in Aussicht. Das würde eine Insolvenzquote von rund 80 Prozent bedeuten. Normalerweise kommen bei Insolvenzen kaum zweistellige Quoten zusammen.
"Herr Frege hat offensichtlich sehr gute Arbeit geleistet", sagt sein Chef Kolster. Anfangs seien bei Lehman Deutschland nur 300 Millionen Euro vorhanden gewesen. In langwierigen Verhandlungen mit anderen Länder-Niederlassungen und nach guten Verwertungserfolgen habe man es auf die 15 Milliarden gebracht. Das hätten die Gläubiger anerkannt, glaubt Kolster.
Wie ist es nun aber mit der Honorarforderung? "Darüber wird das Gericht erst am Ende des Verfahrens entscheiden, und das kann noch zwei, drei Jahre dauern", sagt Kolster. Und was ist mit den 834 Millionen Euro? Zum Vergleich: Bei der Karstadt-Pleite erhielt der Insolvenzverwalter 32 Millionen Euro, bei Schlecker werden es voraussichtlich 15 Millionen sein. Und da gab es in der Öffentlichkeit schon einen Sturm der Entrüstung nach dem Motto: Tausende verlieren ihren Job, aber die Insolvenzverwalter machen sich die Taschen voll. Und jetzt utopische 834 Millionen Euro? "Das ist das Ergebnis eines unabhängigen Gutachtens, das wir in Auftrag gegeben haben", sagt er. Man habe sich die Summe nie zu eigen gemacht, es sei lediglich eine Basis, auf der man diskutieren könne. Es könne auch sein, dass das Honorar am Ende bei 500 Millionen Euro liege, oder niedriger.
Wie ist die Summe überhaupt zustande gekommen? Nach dem deutschen Insolvenzrecht gibt es eine Regelvergütung, die von der Insolvenzmasse abhängt. Im Fall Lehman sind das 45 Millionen Euro. Darüber hinaus kann das Gericht aber bis zu 50 "Zusatztatbestände" für komplizierte Fälle anerkennen, wenn zum Beispiel schwierige Steuerfragen zu lösen oder Vermögen aus dem Ausland einzutreiben sind. Das Rechtsgutachten kommt aufgrund solcher Tatbestände zu einem Multiplikator von fast 20. Kann das sein?
Frege habe sich reich rechnen lassen
Pünktlich zum Tage ist ein Gutachten von Seiten der US-Hedgefonds aufgetaucht, die über den hohen Multiplikator empört sind. Es weist vermeintlich eine Reihe sachlicher Fehler nach und kommt zu dem Schluss, dass sich Insolvenzverwalter Frege reich hat rechnen lassen. Kanzlei-Chef Kolster sichert zu, das Gutachten anzusehen, wenn es denn vorgelegt würde. Bislang sei es ihm unbekannt, der Verfasser habe weder Akten seiner Kanzlei eingesehen noch mit ihr gesprochen.
Einstweilen macht er seine eigene Rechnung auf: An der Lehman-Insolvenz hätten 70 Anwälte und 30 Insolvenzexperten seiner Kanzlei seit vier Jahren gearbeitet. Lege man einen durchschnittlichen Stundensatz von 300 Euro und 1800 Arbeitsstunden pro Person im Jahr zugrunde, komme er allein auf einen Aufwand von 216 Millionen Euro. "Wenn wir am Ende nur 100 Millionen Euro bekämen, wäre es für uns ein deutliches Verlustgeschäft."
Das Honorar abzüglich der Kosten steht im Übrigen nicht Insolvenzverwalter Frege zu. "Es wird unter den mehr als 200 Partnern unserer Kanzlei verteilt", sagt Kolster, dabei gebe es auch eine Leistungskomponente für besonders erfolgreiche Partner. Nach dem Gesetz sei das Amt des Insolvenzverwalters zwar an eine Person gebunden, das Honorar gehe aber an die Sozietät.
Insofern ist es fast schon wieder bitter für Michael Frege, dass er sein Gesicht dafür hinhalten muss.