Süddeutsche Zeitung

Lego & Co:Auch Papa will spielen

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Raumschiffe zum Nachbauen, raffinierte Fingerübungen für den Schreibtisch: Die Spielzeughersteller erobern die Erwachsenen.

Von Uwe Ritzer, Nürnberg

Wer eigentlich baut mit Legosteinchen? Wie viel von seinem Umsatz verdankt einer der größten Spielwarenhersteller der Welt erwachsenen Kunden, die die Bauklötzchen nicht für Kinder kaufen, sondern für sich selbst? "Ganz ehrlich", sagt Frédéric Lehmann, "wir wissen es nicht genau". Die Kernzielgruppe von Lego seien zwar nach wie vor Kinder, "die Baumeister von morgen", sagt Lehmann, der für den Konzern die Region Deutschland, Österreich und Schweiz verantwortet. Aber andererseits weiß auch er, dass vor allem die großen, mehrere hundert Euro teuren Legobausätze, etwa von Raumschiffen der Star-Wars-Reihe, weniger für Kinderzimmer geeignet sind, als vielmehr für Ausstellungsregale von Erwachsenen. Denn nur wenige Fünf-, Sechs- oder Achtjährige können die komplizierten Bausätze bewältigen, es sei denn, Erwachsene bauen mit.

Nun ist generationenübergreifendes Spielen ein Feld, das immer mehr Spielwarenhersteller für sich entdecken. Darüber hinaus nehmen viele ganz direkt Erwachsene als Zielgruppe ins Visier. Es sei "höchste Zeit, dass wir unsere traditionellen Vorstellungen zum Thema Spielen über Bord werfen", sagt die chinesische Spielwarenexpertin Jane Wong. Sie gehört einem Gremium an, das für die Nürnberger Spielwarenmesse nach Trends sucht. Gefunden haben die Fachleute dabei zumindest "einen Nischenmarkt, der immer weiter wächst", wie Wong sagt. "Immer mehr Erwachsene geben Geld für Spielsachen aus, die sie selbst nutzen."

Modellbauer und speziell die Hersteller von Modelleisenbahnen wissen dies schon lange. Sie wissen: Je aufwendiger, detailgetreuer und auch teurer ihre Produkte sind, desto seltener landen sie in Spielekisten in Kinderzimmern. Bei Märklin sei das "vor 40 Jahren schon so gewesen", sagt Firmenchef Florian Sieber. Für das Unternehmen sind Sammler und Modellbauenthusiasten in fortgeschrittenem Alter als Käufer längst existenziell.

Wenn Erwachsene spielen, spielt Nostalgie eine große Rolle. Man will das detailgetreue Modellauto haben, dessen Original man als Kind oder Jugendlicher bewundert hat. Manches wird gekauft, weil man es als Kind nicht bekam, nun aber selbst das Geld hat, um sich den Wunsch zu erfüllen. Wieder andere Erwachsene spielen rein zur Entspannung. Auch diese Klientel nehmen Hersteller verstärkt ins Visier. Die Schweizer Firma Naef etwa präsentiert bei der Messe einen Bausatz, mit dem zahlreiche geometrische Figuren und Konstruktionen geformt werden können. Sei es zum bloßen Anschauen, als Schreibtischzierde etwa, oder um sich zwischendurch immer wieder als Designer zu versuchen.

Die erwachsenen Spieler sind allerdings in der Regel auch kritischer als Schulkinder. Lego etwa musste das schmerzhaft erfahren. Grund ist, dass der dänische Konzern juristisch auf den "Held der Steine", alias Thomas Panke, losgegangen ist, einen Lego-Händler und -Enthusiasten aus Frankfurt, der obendrein mit 200 000 Followern der einflussreichste Lego-Youtuber ist. Panke hatte einen legoähnlichen Baustein als sein Markenzeichen verwendet, was der Konzern ihm per Anwaltsbrief verbot. Worüber sich die große Legogemeinde im Internet gewaltig empörte - und einige Legoianer dem Unternehmen bei der Gelegenheit auch gleich vorwarfen, qualitativ schwer nachgelassen zu haben.

Diesen Vorwurf will Deutschland-Chef Lehmann nicht stehen lassen. "Wir haben kein Qualitätsproblem", sagt er. Den Shitstorm in Sachen "Held der Steine" hätte der Konzern allerdings gern vermieden. "Es wäre besser gewesen, den Telefonhörer in die Hand zu nehmen und mit ihm zu reden."

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Quelle:
SZ vom 31.01.2019
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