Legaler Marihuana-Handel in den USA:Wettbewerb ums Drogengeld

Union member Taylor displays medical marijuana during a media visit at the Venice Beach Care Center medical marijuana dispensary in Los Angeles, California

Die Mitarbeiterin eines legalen Gras-Shops zeigt eine Marihuana-Pflanze. Ihre Kunden brauchen ein Rezept vom Arzt.

(Foto: Jonathan Alcorn/Reuters)

Gewinne mit Gras: Seit immer mehr US-Bundesstaaten den Marihuana-Handel legalisieren, wird das Geschäft auch für Banken und professionelle Investoren interessant. Regierungen hoffen auf Steuereinnahmen.

Von Kathrin Werner, Seattle, und Jürgen Schmieder, Los Angeles

In Shawn Scoleris Apotheke mitten in Seattle gibt es das Gramm für acht bis elf Dollar, je nach Qualität. Auf seinem Tresen liegen Plastikboxen mit grün-braunen Marihuanablüten, es gibt Hanf-Handcremes und Cannabis-Schokoriegel, die nach Minze oder Erdnussbutter schmecken. Scoleris Geschäft ist legal, die Kunden brauchen nur eine Bestätigung vom Arzt oder Naturheiler, dass sie auf Rezept kiffen. Und so eine Bestätigung ist leicht zu bekommen. Trotzdem, so der 42-Jährige, fühle er sich manchmal wie ein Krimineller.

Etwa 280 Marihuana-Läden gibt es derzeit in Seattle, der Bundesstaat Washington an der Westküste hat Marihuana komplett legalisiert. Der Gesetzgeber feilt noch an den Regeln - bis die Stadt offizielle Handelslizenzen verteilt, gibt es nur die medizinischen Apotheken wie die von Scoleri. Es ist ein Geschäft in der Grauzone, weil auf Bundesebene Marihuana noch immer verboten ist und in der Kategorie der gefährlichsten Drogen geführt wird. Vereinfacht ausgedrückt: Der Staat Washington erlaubt alles, die Regierung in der Hauptstadt Washington, DC, erlaubt nichts. Eine der Konsequenzen daraus war bislang, dass die Marihuana-Branche keine Konten eröffnen durfte, den Banken drohte sonst ein Verfahren wegen Geldwäsche. Genau das soll sich nun ändern.

Kürzlich hat die Bundesregierung Richtlinien an Banken verteilt, nach denen sie von nun an mit lizenzierten Marihuana-Anbietern zusammenarbeiten dürfen. Solange die Geschäfte nicht Marihuana an Minderjährige verkaufen, mit Drogenkartellen zusammengearbeitet oder Ware außerhalb der Staatsgrenzen veräußert haben, können Banken ihnen erlauben, ein Konto zu eröffnen, eine Kreditkarte zu beantragen und Kredite aufzunehmen. All das also, was legale Unternehmen tun dürfen.

"Die wollen mein Geld, ist doch klar"

Bislang akzeptierten die Inhaber der Geschäfte in einem Land, in dem selbst für ein Päckchen Kaugummi mit Kreditkarte bezahlt wird, beinahe ausschließlich Cash. Scoleri berichtet davon, wie gruselig es sei, mit Bargeld herumzulaufen, er habe Angst vor Überfällen. Seinen Eingang versperren zwei dicke Stahltüren. Alle paar Monate geht er mit einer unauffälligen braunen Papiertüte zur Steuerbehörde. "Das erste Mal haben die eineinhalb Stunden gebraucht, um die 12 000 Dollar zu zählen", erzählt er. "Die haben mir das Gefühl gegeben, ich sei das Allerletzte und mich die ganze Zeit mit blöden Fragen genervt." Mittlerweile hätten sich die Beamten aber an ihn und seine Scheine gewöhnt und brauchen nur noch zehn Minuten fürs Zählen. "Die wollen mein Geld, ist doch klar", sagt Scoleri.

Genau darum geht es: ums Geld. Es ist mittlerweile Konsens, dass der "War on Drugs", der seit 1971 tobende Krieg gegen Drogen, gescheitert ist. Er hat die Steuerzahler innerhalb von 40 Jahren beinahe eine Billion Dollar gekostet - dennoch weitete sich der Drogenhandel immer weiter aus. Die Befürworter der Cannabis-Legalisierung sagen: Marihuana ist gesellschaftsfähig, 58 Prozent der Amerikaner sind mittlerweile für die Komplett-Legalisierung. Derzeit prüfen mehrere Bundesstaaten wie etwa Kalifornien, den Genuss auch zu nichtmedizinischen Zwecken wie in Washington und Colorado zu erlauben. In der Football-Liga NFL wird offen darüber diskutiert, Marihuana als Schmerzmittel zuzulassen. Und Präsident Barack Obama sagte kürzlich, dass er Marihuana für nicht gefährlicher als Alkohol halte.

Legales Marihuana bringt hohe Steuereinnahmen

"Es ist an der Zeit, Marihuana flächendeckend zu legalisieren", sagt Gavin Newson, stellvertretender Gouverneur von Kalifornien. "Die Kosten für den Kampf gegen Drogen sind enorm - und es gibt keinen Beweis, dass dieser Kampf im Fall von Marihuana erfolgreich ist." Durch eine Regulierung des Handels ließe sich zum einen Geld sparen - und im Gegenzug jede Menge Geld einnehmen. Allein in Kalifornien könnten 1,5 Milliarden Dollar pro Jahr an Steuern reinkommen. Das kleinere Colorado rechnet in diesem Jahr immerhin mit knapp 70 Millionen Dollar, ein Großteil davon soll ins Schulsystem fließen.

Laut einer Studie des auf die Branche spezialisierten Marktforschers Arcview Market Research wird der Markt für legales Kiffen innerhalb der kommenden fünf Jahre von 1,4 auf mehr als zehn Milliarden Dollar wachsen. Hinzu kommen die Milliarden, die sich mit allerlei Zubehör für Kiffer oder für die Produktion erzielen lassen. Wie groß der Schwarzmarkt ist, weiß keiner genau. Experten schätzen 50 Milliarden Dollar, einige gehen gar von bis zu 100 Milliarden aus. Allein am 1. Januar, dem ersten legalen Tag, wurde in Colorado mehr als eine Million Dollar umgesetzt.

Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass nicht nur das Justizministerium ein Gutachten für die Richtlinien für die Bankkonten erstellt hat, sondern auch das Finanzministerium. Jennifer Shasky Calvery ist die Direktorin der Strafverfolgungsbehörde des Finanzministeriums, sie meint: "Die neuen Regeln fördern die finanzielle Transparenz der Marihuana-Industrie, sie mindern die Risiken für das Finanzsystem und schwächen die Gefahren reiner Bargeschäfte ab." Durch die Richtlinien würden die Geschäfte der Marihuana-Verkäufer "aus dem Schatten hervorgeholt", schließlich seien die Banken dazu verpflichtet, das Verhalten der Unternehmen zu protokollieren, den Behörden regelmäßig Bericht zu erstatten und verdächtige Aktivitäten zu melden.

Raus aus dem Schatten

Sie sollen möglichst auch prüfen, welche Produkte die Unternehmen verkaufen und ob die Kunden die Produkte für medizinische oder bewusstseinserweiternde Zwecke verwenden. Darum geht es also wirklich: um eine bessere Überwachung einer bislang im Schatten operierenden Branche - und natürlich auch um gewaltige Einnahmen durch Besteuerung.

Mittlerweile sind auch Investoren interessiert. Brendan Kennedy und Christian Groh haben vor drei Jahren Privateer Holdings gegründet, den ersten Wagniskapitalgeber für die Marihuana-Industrie. "Cannabis ist längst Mainstream, 140 Millionen Amerikaner haben es schon probiert, selbst der Präsident", sagt Groh. Die Partner der Finanzfirmen würden bereits heute mit ihrem privaten Geld investieren, die institutionellen Investoren dürften bald folgen: "Auch Banken werden diesen riesigen Markt nicht mehr viel länger ignorieren. In spätestens zwei Jahren wird es eine Handelsplattform für Marihuana bei Goldman Sachs oder JP Morgan geben."

Noch sind die Institute jedoch überaus zurückhaltend. "Besitz und Verkauf von Marihuana verstößt gegen Bundesrecht - und Banken, die diese Aktivitäten unterstützen, riskieren Strafverfolgung und unterschiedliche Strafen", sagt Frank Keating, Präsident der American Bankers Association. Die Richtlinien, die keineswegs Immunität garantieren, würden zu kurz greifen und bei den Banken eher für Unsicherheit denn für Zuversicht sorgen.

Lohnendes Risiko für kleinere Banken

Schließlich könnten Banken dennoch belangt werden, sollte sich herausstellen, dass die Marihuana-Verkäufer an illegalen Geschäften beteiligt waren. "Wir wissen die Bemühungen zu schätzen, doch Richtlinien und Verordnungen ändern die bestehenden Herausforderungen für Banken nicht."

Branchenexperten vermuten, dass vor allem börsennotierte Banken derzeit lieber auf Kunden aus der Marihuana-Branche verzichten. Für kleinere Banken könnte das Risiko lohnenswert sein, mit Cannabis-Verkäufern zusammenzuarbeiten.

Das dürfte Shawn Scoleri freuen, er will schließlich nicht mehr mit einer braunen Papiertüte voller Bargeld zur Steuerbehörde laufen.

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