Lega und Fünf-Sterne-Bewegung:Italien droht der wirtschaftliche Abstieg

Müllberge liegen zwischen parkenden Autos an einer Hauswand Müllberge gehören in Neapel zum alltägl

Der Süden Italiens ist schon lange wirtschaftlich schwach, Müllberge wie hier in Neapel gehören vielerorts zum Straßenbild. Nun fürchten Unternehmer und Investoren, dass die neue Regierung das Land endgültig zugrunde richtet.

(Foto: imago/Kickner)
  • Seit elf Wochen regiert in Rom die Koalition aus der rechten Lega und der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung.
  • Bisher hat sie wenig umgesetzt. Im Koalitionsvertrag hat das Bündnis jedoch eine Reihe von Maßnahmen versprochen, die zusammen als unbezahlbar gelten.
  • Sollte die neue Regierung an ihren Plänen festhalten, droht Italien nach Ansicht von Ökonomen ein wirtschaftliches Desaster.

Von Ulrike Sauer, Rom

Damit hatten die wackeren Unternehmer aus dem Nordosten Italiens nicht gerechnet. Dass ihnen nun aus Rom ein feindlicher Wind ins Gesicht wehen würde - wo doch ihr Mann, Lega-Chef Matteo Salvini, als Vize-Premier und Innenminister in der Hauptstadt seit Juni den starken Mann gibt. Das Parlament aber verabschiedete kurz vor der Sommerpause noch ein "Dekret Würde", das für die Mittelständler aus Venetien ein rotes Tuch ist. Das Eilgesetz begrenzt und verteuert befristete Arbeitsverträge, es schränkt Leiharbeit ein und erschwert die Verlagerung der Produktion in Billiglohnländer. Zuvor hatten 600 Industrielle in Treviso und Padua gewarnt: "So ruiniert ihr uns". Ihre Appelle verhallten ungehört. Salvinis Leute rührten im Parlament keinen Finger.

Nach den ersten elf Wochen im Amt ist es das einzige Gesetz, das die selbstproklamierte "Regierung des Wandels" aus der Protestpartei Cinque Stelle und der rechtsextremen Lega vorweisen kann. Arbeitsminister Luigi Di Maio, der 31-jährige Chef der Cinque Stelle, lobte das Würde-Dekret als "Waterloo des Prekariats". In Italiens Wirtschaft sieht man darin dagegen nur ein neues Wachstumshemmnis. "Die italienischen Unternehmen sind nun weniger wettbewerbsfähig", sagte Luciano Vescovi, Chef des Wirtschaftsverbands Confindustria in Vicenza. Dass es die Lage der 3,1 Millionen befristet Beschäftigten verbessert, ist unwahrscheinlich. Nach einer Schätzung der Sozialversicherung INPS werden in einem Jahr 8000 Jobs wegfallen.

Das Gesetz soll davon ablenken, dass der Regierung eine Agenda fehlt. Lega und Cinque Stelle unterschrieben einen Koalitionsvertrag, in dem sie ihre kaum kompatiblen Versprechen aneinanderreihten - ohne Prioritäten festzulegen oder die Finanzierung der 130 Milliarden Euro teuren Projekte zu erläutern. Ihre Rivalität hält dringende Entscheidungen auf.

Und dann stürzte am vergangenen Dienstag in Genua die Morandi-Brücke ein und riss mindestens 43 Menschen in den Tod. Die Regierungsspitzen eilten aus dem Urlaub in die Stadt, deren Hafen nun ohne das Autobahnviadukt vom Niedergang bedroht ist. Die Minister nutzten die Katastrophe, um medienwirksam ihre nächste Attacke gegen das Establishment zu inszenieren. Regierungschef Giuseppe Conte kündigte an, dem privaten Autobahnbetreiber Autostrade per l'Italia unverzüglich die Lizenz zu entziehen. "Wir können nicht auf die Justiz warten", sagte der Rechtsprofessor. Er betreibt auf der Welle der Empörung lieber Lynchjustiz.

Im Kommuniqué der Regierung wird der Beschluss nicht erwähnt. Doch das ist egal, was zählt, ist die momentane Botschaft: Die Regierung nimmt den Kampf gegen eine der reichsten Industriellendynastien Italiens auf, die Benettons. Ihr Infrastrukturkonzern Atlantia, der über die Mauttochter für die Autobahnbrücke verantwortlich ist, verlor an der Börse in zwei Tagen sechs Milliarden Euro an Wert. Conte schlug aber nicht nur die Anleger von Atlantia in die Flucht. Er zerstörte auch ein weiteres Stück der Glaubwürdigkeit Italiens. Die Rendite für zehnjährige Staatsanleihen sprang auf 3,1 Prozent.

Der Fall der Morandi-Brücke offenbart, dass die Regierungskoalition auch ein halbes Jahr nach den Wahlen noch immer im Wahlkampfmodus steckt. Eigentlich hatten die Anleger nicht damit gerechnet, dass Cinque Stelle und Lega vor den Europawahlen im kommenden Mai eine Finanzkrise riskieren würden. Diese Überzeugung wankt nun. Europas wichtigstem Schuldenland stehen damit schwierige Monate bevor.

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