Psychologie:Die Deutschen sind zufriedener geworden

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Angesichts der krisenhaften Welt nimmt man womöglich das eigene kleine Glück schärfer wahr. (Foto: Meike Engels/imago images)

Allen Krisen zum Trotz: Die Bundesbürger haben in den vergangenen zwanzig Jahren ihr Glück immer stärker wahrgenommen, wie eine neue Studie zeigt.

Von Bernd Kramer

Die Zeiten scheinen düster. Wenige Hundert Kilometer von der deutschen Grenze entfernt tobt seit drei Jahren der Krieg. Die Klimakrise beschert einen Hitzesommer nach dem nächsten. In den USA könnte bald, auch wenn das Rennen gerade wieder offener scheint, ein oranger Wirrkopf regieren, der seine Verbündeten ohne Skrupel dem russischen Diktator ausliefern würde. Und überhaupt scheinen allerorten grimmige Populisten nach der Macht zu greifen, in Ostdeutschland könnten die Rechtsextremen in wenigen Wochen in einigen Landtagen die stärkste Fraktion stellen. Früher, so kann sich die Gegenwart derzeit jedenfalls anfühlen, war mehr Zukunft.

Doch nanu: Allen Krisen und Katastrophen zum Trotz sind die Deutschen über die vergangenen Jahre nicht verzagter geworden – sondern eher glücklicher. Das ergeben Daten aus dem sozioökonomischen Panel, einer großen repräsentativen Befragung, bei der Tausende Menschen unter anderem regelmäßig darum gebeten werden, ihre Lebenszufriedenheit auf einer Skala von null bis zehn anzugeben. Vor zehn Jahren antworteten die Deutschen im Durchschnitt mit 6,7. Sie waren also schon damals eher zufrieden mit ihrem Leben als unzufrieden. Bis zum Jahr 2021 dann – dem letzten Jahr, für das Daten vorliegen – kletterte der Wert noch mal deutlich auf 7,4. „Auch uns hat dieser Anstieg überrascht“, sagt Daniel Graeber, Ökonom am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Das DIW veröffentlicht die Auswertung an diesem Mittwoch, der SZ lag sie vorab vor.

Nun mag man einwenden, dass die schlimmsten Krisen, die aufs Gemüt drücken, sich noch gar nicht in den DIW-Zahlen widerspiegeln, die Lebenszufriedenheit also nach 2021 wieder gesunken sein könnte. Möglich. Aber ein interessanter Punkt spricht gegen diese Überlegung: Die Forschenden befragen die Menschen nicht nur regelmäßig nach ihrer Zufriedenheit im Allgemeinen, sondern auch danach, wie sie bestimmte Bereiche ihres Lebens beurteilen – und als die Corona-Pandemie 2020 ausbrach, zeigten sich die Befragten mit einem Mal kurioserweise mit ihrer Gesundheit sehr viel zufriedener als zuvor. „Auf diese Veränderung sind nicht nur wir, sondern auch andere Forscher mit anderen Daten gestoßen“, sagt Daniel Graeber. Vielleicht hat die Gesundheitskrise vielen bewusst gemacht, wie gut es ihnen im Vergleich dazu geht. Vor der krisenhaften Welt nimmt man womöglich das eigene kleine Glück sogar schärfer wahr. „Für die Lebenszufriedenheit ist ohnehin vor allem das nahe Umfeld relevant“, sagt DIW-Forscher Graeber.

Und da sah es für viele Deutsche in den vergangenen beiden Jahrzehnten eher gut aus, gerade ökonomisch: Viele Menschen profitierten davon, dass sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt seit 2004 verbesserte. Die Löhne stiegen – und die Deutschen wurden im Schnitt zufriedener mit ihrem Einkommen. Der Lohnabstand zwischen Männern und Frauen ist kleiner geworden, ebenso der zwischen Ost und West – und fast spiegelbildlich hat sich auch der Abstand in der Einkommenszufriedenheit verringert. Das Wohlbefinden hängt, so könnte man folgern, also gar nicht so sehr am Zustand der Welt – aber durchaus am eigenen Kontostand. Es stimmt nämlich doch: Auch Geld macht glücklich.

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