Süddeutsche Zeitung

Lebensversicherungen:Sinkende Gutschriften

Die althergebrachte Lebensversicherung bringt immer weniger Zinsen - und der Abwärtstrend dürfte sich fortsetzen. Die klassische Police ist ein Auslaufmodell.

Von Herbert Fromme und Patrick Hagen, Köln

Lebensversicherungen werden dieses Jahr wohl erneut deutlich weniger Rendite abwerfen. Das hat die Kölner Ratingagentur Assekurata auf Basis von Unternehmensangaben ermittelt. So schreiben die Versicherer ihren Kunden im laufenden Jahr durchschnittlich 3,11 Prozent gut, 0,21 Prozentpunkte weniger als noch 2015. Schon damals hatten die Gesellschaften die Gutschrift um 0,22 Prozentpunkte gesenkt - und auch 2017 dürfte sich der Negativtrend fortsetzen: "Wenn sich die Welt nicht erheblich ändert, wird die Zahl weiter heruntergehen", sagt Assekurata-Chef Reiner Will.

Lebensversicherer schreiben Kunden mit klassischen Verträgen - fondsgebundene Verträge sind nicht betroffen - jährlich eine bestimmte Verzinsung gut. Die wird auf den Sparanteil der Prämie berechnet, der zwischen 80 Prozent und 90 Prozent der Prämien ausmacht. Der Rest geht für Kosten und bei manchen Verträgen für den Risikoschutz gegen den Todesfall drauf. Dabei schwanken die Gutschriften erheblich: Für private Rentenversicherungen gewährt etwa die Ideal Leben 2016 im Schnitt 3,7 Prozent, die HDI Leben dagegen nur 2,20 Prozent, und Marktführer Allianz kommt auf 3,1 Prozent.

Es gibt allerdings erhebliche Unterschiede auch innerhalb einer Gesellschaft - je nachdem wann der Vertrag abgeschlossen wurde. Denn in der Vergangenheit lockten die Lebensversicherer mit Garantiezinsen von bis zu vier Prozent für die gesamte Laufzeit. Kunden, die in den Neunzigerjahren einen solchen Vertrag abgeschlossen und durchgehalten haben, erhalten daher mehr als Versicherte mit neueren Policen und niedrigeren Garantien. "Die jüngeren Verträge verzichten für die Altverträge ein Stück weit auf Rendite", sagt Will. Für heute abgeschlossene neue Lebensversicherungen dürfen die Gesellschaften höchstens 1,25 Prozent garantieren.

Die alten Versprechen belasten die Versicherer heute erheblich. Wegen der Niedrigzinsen haben sie immer größere Probleme, die damals gegebenen hohen Garantien zu erwirtschaften. Deshalb hat die Bundesregierung 2011 die sogenannte Zinszusatzreserve eingeführt. Damit sollen die Gesellschaften die nötigen Mittel für die Erfüllung ihrer Zusagen zurückstellen. 2015 mussten die Gesellschaften dafür mehr als zehn Milliarden Euro aus Kundengeldern aufbringen. Heute beträgt die Reserve 32 Milliarden Euro, im laufenden Jahr werden nochmals rund zwölf Milliarden dazukommen. "In drei Jahren wird es bei gleichbleibenden Kapitalmarktbedingungen schwierig, die Zinszusatzreserve zu stellen", zeigte sich Will besorgt. Die Versicherungsbranche verlangt daher von der Politik Erleichterungen; der Aufbau der Reserve müsse langsamer vorangehen. Will hat dafür Verständnis, dennoch: "So lange wie möglich, so viel wie möglich", ist sein Credo zur Zinszusatzreserve.

Die neuen Modelle in der Lebensversicherung verursachen höhere Kosten

Assekurata hat die Untersuchung in diesem Jahr ausgeweitet und zum ersten Mal Verträge der "Neuen Klassik" sowie Indexpolicen mit einbezogen. Immer mehr Versicherer bieten solche Verträge an - und Will sieht darin eine Zeitenwende in der Lebensversicherung: "Die klassische Lebensversicherung ist ein Dinosaurier." Sie komme nicht zurück.

Unter "Neuer Klassik" versteht Assekurata Angebote, die ähnlich wie die klassischen Verträge funktionieren, aber nur reduzierte Garantien enthalten. Daneben haben sich auch Indexpolicen etabliert. Hier hat der Kunde an der Entwicklung eines zugrunde liegenden Index teil, etwa des Dax oder des Euro-Stoxx 50. Bei beiden Vertragsarten sind die Kosten höher als bei klassischen Verträgen, sagt Assekurata-Experte Lars Heermann. "Mit steigender Komplexität nimmt auch die Kostenbelastung zu."

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SZ vom 29.01.2016
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