Süddeutsche Zeitung

Lebensversicherungen:Minus 5,5 Prozent

Die Police wirft oft nicht so viel ab wie prognostiziert. Trotz der Kürzungen ist die Rendite jedoch vergleichsweise hoch.

Von Friederike Krieger, Köln

Wer eine Lebensversicherung hat, sollte regelmäßig einen Blick in die jährlichen Standmitteilungen werfen, um die Absicherung im Alter realistisch einschätzen zu können. Oft kommt weniger heraus, als der Anbieter ursprünglich in Aussicht gestellt hat. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Policenaufkäufers Partner in Life. "Seit der Finanzkrise sind die Ablaufprognosen in der Breite des Marktes massiv zurückgegangen", sagt Unternehmenschef Dean Goff. Das Unternehmen kauft Verträge von Kunden, die ihre Lebenspolicen loswerden wollen, führt sie weiter und kassiert am Laufzeitende die Auszahlung.

Die Studie hat fast 3600 Verträge analysiert, die ausgezahlt worden sind

Deshalb verfügt Partner in Life über eine Fülle an Daten. Die Firma hat 3579 Verträge aus ihrem Bestand analysiert, die in den vergangenen Jahren ausgezahlt worden sind - und sie mit den Ablaufprognosen der Versicherer aus den Jahren 2004 bis 2012 verglichen. "80 Prozent der Verträge haben eine signifikante Reduktion erlebt", sagt Goff. Insgesamt haben die Versicherer 5,5 Prozent oder 28,7 Millionen Euro weniger an Partner in Life ausgezahlt, als sie in Aussicht gestellt hatten.

Bei den klassischen Lebensversicherungen, um die es hier geht, gibt es zwar eine garantierte Verzinsung, die Versicherer auf jeden Fall zahlen müssen. Bei Neuverträgen liegt sie derzeit bei mageren 0,9 Prozent des Sparbeitrags, bis Juli 2000 waren es noch satte vier Prozent. Darüber hinaus beteiligen die Versicherer ihre Kunden an den Überschüssen, die sie erwirtschaften. Wenn die Versicherten bis zum Ende durchhalten, kommen noch ein Schlussüberschuss und eine Beteiligung an den Bewertungsreserven hinzu. Diese Überschüsse sind aber nicht garantiert und werden jährlich aufs Neue gutgeschrieben.

Die Lebensversicherer liefern zu Vertragsbeginn und in ihren jährlichen Standmitteilungen Prognosen, wie hoch die Auszahlung inklusive der Überschüsse am Laufzeitende ausfallen könnte - schaffen es aber nicht immer, diese Versprechungen einzuhalten, wie die Studie von Partner in Life zeigt. "Die Prognosen stammen aus einer Zeit, in der die Versicherer noch relativ hohe Überschüsse erzielt und nicht mit einer so lange anhaltenden Niedrigzinsphase gerechnet haben", sagt Goff.

Marktführer Allianz hat die Ablaufprognosen der Partner-in-Life-Studie zufolge mit minus 1,22 Prozent pro Jahr am stärksten abgesenkt, gefolgt von der Neue Leben (1,11 Prozent) und der Debeka (1,06 Prozent). Bei der Allianz erfolgte die Absenkung allerdings von einem hohen Niveau aus, so Goff. "Die Allianz hat zwar am stärksten gekürzt, hat aber auch die höchsten variablen Gewinnanteile in der Bilanz."

Dennoch machen sich die Kürzungen auf dem Konto der Kunden bemerkbar. Bei einem Vertrag der Allianz aus dem Portfolio von Partner in Life stellte der Versicherer dem Kunden am 15. Februar 2010 noch eine Kapitalauszahlung von 27 279 Euro in Aussicht, bei der Fälligkeit am 1. Dezember 2018 waren es aber nur 24 281 Euro und somit 12,3 Prozent weniger. Das entspricht einer Kürzung von 1,42 Prozent pro Jahr. Bei einem anderen Vertrag prognostizierte die Debeka am 15. Juni 2008 eine Summe von 43 094 Euro, am Tag der Auszahlung zum 1. Juni 2018 waren es aber nur noch 38 452 Euro. Das entspricht einer Reduzierung von 12,1 Prozent oder 1,21 Prozent aufs Jahr gerechnet.

Es lohnt sich, die jährlichen Standmitteilungen zu überprüfen

Um abschätzen zu können, wie es um den eigenen Vertrag steht, sollten sich Kunden zusammen mit einem Experten die jährlichen Standmitteilungen anschauen. "Es ist dringend angeraten, zumindest in den letzten zehn Versicherungsjahren den Vertrag einem Versicherungsfachmann zur Analyse vorzulegen", sagt Goff. Das kann der Mitarbeiter einer Verbraucherzentrale sein, ein Versicherungsmakler oder ein Finanzberater. Auch Policenaufkäufer wie Partner in Life bieten diesen Service an. "Ziel ist, eine aussagekräftige Einschätzung zur verbleibenden Restlaufzeit des Vertrags zu erhalten, um abschätzen zu können, inwieweit der Vertrag noch zu den eigenen Bedürfnissen und Vorstellungen passt", erläutert er. Wenn die Kunden Kürzungen entdecken, könnten sie mit Vertragsanpassungen gegensteuern. So ist es möglich, einen Zusatzversicherungsschutz wie eine Unfallzusatzversicherung herunterzufahren, um den Sparbeitrag der Police zu erhöhen.

Von einer übereilten Kündigung rät Goff jedoch ab. Trotz aller Kürzungen lieferten die Verträge immer noch eine ordentliche Rendite, glaubt er. Zwar ist sie nicht mehr so üppig wie früher. Anstelle der 2010 prognostizierten Beitragsrendite von 4,69 Prozent waren es im Policen-Bestand von Partner in Life im Durchschnitt der vergangenen Jahre 3,74 Prozent. Da die Firma nur besonders gute Policen ankauft, wird die Rendite beim durchschnittlichen Privatkunden eher zwischen 2,8 Prozent und 3,2 Prozent betragen, schätzt Goff. Aber auch das sei hoch, verglichen mit anderen Kapitalanlagen mit ähnlich hoher Sicherheit wie Festgeld, einem Tagesgeldkonto oder einem Sparbrief.

Sollten sich Kunden dennoch von ihrer Police trennen wollen, weil sie dringend Geld brauchen, gibt es Alternativen zur Kündigung. Dazu zählt, den Vertrag beitragsfrei zu stellen oder ihn an einen Policenaufkäufer abzutreten. Die Gesellschaften zahlen Kunden meist mehr als den Rückkaufswert, den sie bei Kündigung des Vertrags erhalten würden. Eine weitere Möglichkeit ist die Rückabwicklung. Kunden, die ihre Verträge zwischen 1994 und 2007 nach dem sogenannten Policen-Modell abgeschlossen haben und nicht ausreichend über ihr Widerrufsrecht belehrt worden sind, können von diesem Recht auch heute noch Gebrauch machen. Dann muss der Anbieter sie so stellen, als hätten sie die Lebensversicherung nie abgeschlossen, sie erhalten die eingezahlten Beiträge nebst Zinsen zurück.

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Quelle:
SZ vom 23.07.2019
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