Süddeutsche Zeitung

Lebensversicherungen:Kauderwelsch im Briefkasten

Lesezeit: 3 Min.

Von Anne-Christin Gröger und Jonas Tauber, Köln/Berlin

Nur schwer verständlich und für Laien kaum zu durchschauen - so hat der Finanzvertrieb MLP die jährlichen Standmitteilungen kritisiert, die deutsche Lebensversicherer an ihre Kunden verschicken, um ihnen den derzeitigen Wert ihrer Policen mitzuteilen. MLP will mehr Transparenz. Die Kunden sollen verstehen, wie viel sie im Alter tatsächlich bekommen. Der Vorstoß des Vertriebs ist nicht ganz uneigennützig, denn wer versteht, wie groß die Rentenlücke im Alter sein wird, schließt vielleicht bei MLP noch eine weitere Versicherung ab.

Tatsächlich ähneln die Schreiben reinem Fachchinesisch. Es geht um Rückkaufswerte, Überschussbeteiligungen und Dynamisierungen. Es ist also kein Wunder, wenn viele Versicherte die Mitteilungen ungelesen in der Schublade verschwinden lassen. Zwar gibt es Bemühungen von Verbraucherschützern oder dem Verein Deutsche Renteninformation, die sich für verständliche Informationen einsetzen. Doch bislang mit wenig Erfolg.

Auf die Garantien kommt es an

"Die Schreiben sind häufig so formuliert, dass der Kunde nicht erkennen kann, wie viel er eingezahlt hat, wie viel der Versicherer für Verwaltung und Vertrieb ausgegeben hat und mit wie viel sein Kapital verzinst wird", stellt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg fest. "Selbst Fachleute durchschauen die Mitteilungen nur schwer."

Die Lage ist jedoch nicht ganz hoffnungslos. Anhand einiger Anhaltspunkte können sich Kunden einen gewissen Überblick über den Wert ihrer Police verschaffen. Einen ersten Hinweis gibt die garantierte Ablaufleistung eines Vertrages. Das ist die garantierte Versicherungssumme, die dem Kunden auf jeden Fall zusteht, wenn er den Vertrag bis zum Ende durchhält. "Lebensversicherungskunden sollten darauf achten, welchen Betrag der Versicherer in dem Schreiben tatsächlich garantiert", sagt Andreas Rebhan, Sachverständiger für das Versicherungswesen und Rentenberater betriebliche Altersvorsorge aus Hallstadt bei Bamberg. "Nur darauf können sie sich verlassen."

Allerdings geben viele Standmitteilungen keine genaue Auskunft über die tatsächliche Auszahlung bei Ende der Vertragslaufzeit. Entscheidend ist der Garantiezins plus die bereits entstandenen Überschüsse, die sogenannte laufende Verzinsung. Das ist die Summe, die in jedem Fall ausbezahlt wird, wenn der Kunde bis zum Ende durchhält. Derzeit liegt der Garantiezins bei 1,25 Prozent. Bei älteren Verträgen wird der Sparanteil mit bis zu 4 Prozent verzinst.

Unverbindliche Prognosen

Prognosen oder ausgewiesene Gesamtsummen sind dagegen unverbindlich. Denn sie enthalten häufig Überschüsse, von denen noch gar nicht klar ist, ob sie überhaupt erwirtschaftet werden. Tatsächlich berichten Experten, dass diese künftigen Überschüsse im Nachhinein oft niedriger ausfallen, als in den Standmitteilungen zuvor in Aussicht gestellt wird. "Aus der Vergangenheit weiß man, dass die künftigen Überschüsse oft zu hoch berechnet sind", sagt Versicherungsberater Roland Harstorff aus Hamburg.

Um die Differenz zwischen garantierter und möglicher Ablaufleistung zu verdeutlichen, hat Rentenberater Rebhan 63 Lebensversicherer und ihre Leistungen miteinander verglichen. Wenn ein 35-jähriger Mann heute eine klassische Lebensversicherung abschließt und bis zu seinem 67. Lebensjahr vierteljährlich 100 Euro einzahlt, also insgesamt 12 400 Euro, beträgt die garantierte Ablaufleistung je nach Anbieter zwischen 12 270 Euro und 14 209 Euro. In Aussicht gestellt wird aber eine mögliche Ablaufleistung bis zu 24 000 Euro.

Verbraucherschützer Nauhauser kritisiert, dass dem Kunden die absoluten Beträge nicht helfen, solange er nicht weiß, wie hoch die Beitragsrendite ist, also die Verzinsung der gezahlten Beiträge. "Es geht ja nicht nur darum, wie viel Geld am Ende aus dem Vertrag rauskommt, sondern auch darum, wie der Versicherer mit den Kundenbeiträgen wirtschaftet und wie viel Zinsen er dafür geben kann", sagt er.

Neben der garantierten Ablaufleistung kann die gutgeschriebene Überschussbeteiligung aufschlussreich sein, sagt Rebhan. Mit diesem Posten beteiligen die Versicherer ihren Kunden an Gewinnen, die sie an den Kapitalmärkten oder mit Risikogewinnen erwirtschaftet haben. Die Höhe wird jedes Jahr neu festgelegt. Einmal ausgesprochen, kann sie der Versicherer dem Kunden nicht mehr wegnehmen. Weil die Zinsen an den Kapitalmärkten seit Jahren niedrig sind, befinden sich auch die Überschussbeteiligungen im Sinkflug. "Die Unterschiede zwischen den Anbietern sind extrem, weil die Versicherer unterschiedlich wirtschaften", sagt Rentenberater Rebhan.

Kunden sollten zudem auf den Rückkaufswert achten, also die Auszahlung, die ein Versicherter im Fall der vorzeitigen Auflösung einer Lebensversicherung erhält. Allerdings erhalten Kunden im Fall der Kündigung immer weniger als sie eingezahlt haben. Das liegt daran, dass der Versicherer in den ersten Jahren der Vertragslaufzeit Kosten für Verwaltung und Vertrieb berechnet. "Bei einem vorzeigen Verkauf der Police macht der Kunde immer Verlust", sagt Rebhan.

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SZ vom 12.02.2015
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