Süddeutsche Zeitung

Versicherung:Wie die Allianz ihre Risiken reduzieren will

Versicherungsaktien sind nicht gerade populär. Und dann hat die Allianz auch noch Probleme mit der US-Justiz. Nun will sie das Vertrauen der Anleger zurückgewinnen.

Von Nina Nöthling und Herbert Fromme, Köln

Eigentlich sind Versicherer dazu da, Risiken zu übernehmen. Deshalb wirkt es etwas merkwürdig, wenn Investoren es toll finden, dass ein Versicherungskonzern die von ihm übernommenen Risiken reduziert. Aber genau das ist am Freitag der Allianz passiert.

Der Konzern gibt einen großen Teil seiner Lebensversicherungsbestände in den USA an Investoren und andere Versicherer ab, es geht um 35 Milliarden Dollar. Er trägt deshalb künftig weniger Risiken aus diesen Verträgen und braucht 3,6 Milliarden Dollar weniger Kapital. Geld verdient die Allianz dennoch auch künftig mit den Policen, weil sie die Kapitalanlagen weiter verwaltet. Analysten und Investoren finden das alles gut, die Aktie steigt, wenn auch moderat. Was für die Kunden rauskommt, muss man sehen.

Mit der Bekanntgabe des US-Rückversicherungsdeals überraschte Allianz-Konzernchef Oliver Bäte am Freitag Großanleger und Analysten, die sich digital zum Anlegertag trafen. Außerdem versprach er den Anlegern stetig steigende Dividenden. Sie sollen jährlich um fünf Prozent nach oben gehen - auch in schwierigen Zeiten. Beim Betriebsgewinn erwartet die Allianz ein Plus von vier Prozent pro Jahr, beim Umsatz um drei bis vier Prozent.

Damit versucht die Allianz das eigentlich Unmögliche, nämlich das hoch volatile Versicherungsgeschäft als verlässliche Gewinn-Zuwachsmaschine darzustellen. Versicherer leben davon, Privatpersonen und Unternehmen gegen Katastrophen abzusichern. Hurrikans, Überschwemmungen, Stürme, Großfeuer und Erdbeben sind ihr Kerngeschäft. Aber Anleger scheuen die damit verbundenen Schwankungen in den Ergebnissen, Versicherungsaktien sind nicht sehr populär. Deshalb Bätes Politik, wie in den USA die Risiken zu reduzieren, die der Konzern selbst trägt. Das US-Modell soll Vorbild für andere Märkte sein. In Deutschland hat die Allianz immer beteuert, niemals Bestände in der Lebensversicherung abzugeben. Man wird sehen, wie lange das Versprechen unter der neuen Strategie hält.

Bäte reagiert mit dem Strategieschwenk auch auf zwei aktuelle Entwicklungen: Die künftigen Bilanzregeln IFRS 17 führen automatisch zu höheren Schwankungen in den Ergebnissen von Versicherern, da will er gegensteuern. Außerdem hat die Allianz Riesenprobleme in den USA. Dort ermittelt das US-Justizministerium gegen die Allianz Global Investors (AGI), unter anderem wegen Betrugs. Großinvestoren verklagen AGI auf mindestens sechs Milliarden Dollar Schadenersatz. Das Unternehmen soll Anfang 2020 angeblich die vereinbarte Anlagestrategie verlassen und so im Börsencrash zu Beginn der Pandemie hohe Verluste eingefahren haben.

So etwas kommt bei Aktionären überhaupt nicht gut an. Da braucht Bäte viele Dividendenversprechen und plausible Strategieübungen, um den Gegenwind wettzumachen.

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