Süddeutsche Zeitung

Lebensversicherer:Trumpfkarte verloren

Die Regierung geht an den Garantiezins der Unternehmen. Sie will den staatlich verordneten Höchstrechnungszins abschaffen.

Von Herbert Fromme

Jahrzehntelang war sie eine wichtige Institution für die Verkaufsgespräche eifriger Versicherungsvermittler. Durch die für die gesamte Dauer des Vertrags geltende Zinsgarantie unterschied sich die Lebensversicherung von Sparplänen und Investmentfonds. Dabei ließen die Vertreter und Makler gern unter den Tisch fallen, dass die Garantie nur für den Sparanteil der Prämie galt, also die 80 bis 90 Prozent, die nach Abzug der Vertriebs- und Verwaltungskosten übrig bleiben. Stattdessen wurde gern noch die Formulierung "staatlich garantiert" eingeflochten. Für heute neu abgeschlossene Verträge beträgt der Garantiezins höchstens 1,25 Prozent, in den Neunzigerjahren waren es in der Spitze vier Prozent.

Jetzt will die Bundesregierung zwar nicht die Garantieverzinsung abschaffen, wohl aber den staatlich verordneten sogenannten Höchstrechnungszins. Das Vorhaben findet sich in einem Referentenentwurf des Finanzministeriums.

Der Bund der Versicherten lehnt den Plan der großen Koalition rundheraus ab

Staatlich garantiert ist auch der heutige Garantiezins nicht. Die Regierung legt alljährlich nur fest, mit welchem Zins die Versicherer höchstens rechnen dürfen, wenn sie die erforderlichen Rückstellungen für klassische Policen aufbauen. Als Folge bietet kein Versicherer höhere Garantien an, obwohl er das theoretisch tun dürfte.

Für fondsgebundene Angebote und Mischformen spielt die Garantie ohnehin keine oder nur eine kleine Rolle. Diese neuen Angebote machen aber bald den größten Teil der verkauften Verträge aus. Die Versicherer Ergo und Generali haben angekündigt, demnächst überhaupt keine klassischen Verträge mehr zu verkaufen, die Allianz will den Anteil am Neugeschäft von 55 Prozent im ersten Halbjahr auf 20 bis 30 Prozent in drei Jahren senken.

Bislang wird der Höchstsatz für klassische Policen jährlich von der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV), in der die Versicherungsmathematiker organisiert sind, dem Finanzministerium vorgeschlagen. Sie folgt dabei einem komplexen Regelwerk. Der Höchstrechnungszins darf 60 Prozent der zehnjährigen Rendite von Staatsanleihen nicht überschreiten. Die vorsichtige Herangehensweise trägt der langen Laufzeit vieler Verträge Rechnung. Allerdings waren die Aktuare nicht immer vorsichtig genug: Die alten Garantien von vier Prozent schmerzen die Versicherer heute heftig, weil die Zinsen aktuell so niedrig sind.

Versicherer dürfen auch künftig Garantieverzinsungen anbieten. Das ermöglicht einen Wettbewerb darum, wer das meiste offeriert. Allerdings müssen Aktuare und Wirtschaftsprüfer bestätigen, dass sich die Lebensversicherer den angebotenen Garantiezins auch leisten können. Das wird allzu kühne Marketingpläne bremsen.

Die DAV ist für Änderungen, will aber am Höchstrechnungszins festhalten. Der Verband schlägt ein zweistufiges Verfahren vor: Für die ersten 15 Jahre sollen die Anbieter einen festen Zins garantieren, der sich am Kapitalmarkt orientiert, für die Zeit danach einen vorsichtigeren Wert.

Die Verbraucherschutzorganisation Bund der Versicherten dagegen lehnt den Plan der großen Koalition rundheraus ab. Zwar seien die Garantien für bestehende Verträge "ziemlich sicher", doch würde sich die Abschaffung des Höchstrechnungszinses negativ auf die über die Garantie hinaus erzielten Überschüsse auswirken, sagte Vorstandschef Axel Kleinlein. Das mache die Policen unrentabel. Außerdem würden die Versicherer künftig überhaupt keine Verträge mit klassischer Garantie mehr anbieten, die Lebensversicherung würde noch intransparenter, befürchtet er.

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SZ vom 09.10.2015
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