Lebensmittel:"Skandale sind kein Zufall"

Landeslabor Neumünster

Bei fast 30 Prozent ihrer Kontrollen haben Prüfer etwas zu beanstanden.

(Foto: Carsten Rehder/dpa)

Deutschlands oberster Lebensmittelkontrolleur Martin Müller ist alarmiert: Betrügereien mit Lebensmitteln nehmen immer mehr zu. Er fordert radikale Reformen, mehr Personal für die Aufsicht und härtere Strafen.

Von Silvia Liebrich

Die jüngste Häufung von Lebensmittelskandalen ist nach Einschätzung des Bundesverbandes der Lebensmittelkontrolleure (BVLK) kein Zufall, sondern ein Zeichen dafür, dass das Kontrollsystem nicht richtig funktioniert. Bei fast 30 Prozent ihrer Kontrollen haben die Prüfer inzwischen etwas zu beanstanden, etwa eine falsche Kennzeichnung oder Hygienemängel, sagte Martin Müller, Vorsitzender des Verbandes der Süddeutschen Zeitung.

Betrügern werde es viel zu leicht gemacht, Verbraucher und Behörden zu täuschen, kritisiert er. "Unser Problem ist, dass wir nicht genug Personal haben, um dagegen anzugehen", sagte er. Müller fordert Reformen radikale Reformen von der Politik und mehr Personal. Er sei jetzt seit fast 40 Jahren im Geschäft, doch eine solche Häufung von Lebensmittelskandalen wie zuletzt habe er noch nicht erlebt.

Zwar sind Nahrungsmittel in Deutschland laut Müller grundsätzlich so sicher wie nie zuvor. Nur 0,1 bis 0,3 Prozent der untersuchten Lebensmittel seien wirklich gesundheitsgefährdend. Diese Quote sei seit Jahren konstant.

Für bedenklich hält er aber den Anstieg von Betrügereien und Schummeleien bei der Kennzeichnung und Hygienemängel. Jüngste Beispiele sind falsch gekennzeichnete Bioeier und die massenhafte Umdeklarierung von billigem Pferdefleisch in teures Rindfleisch. Vom sogenannten Pferdefleischskandal sind Hersteller und Handelsketten in ganz Europa betroffen. "Zufall ist nur, dass das Pferdefleisch in der Lasagne und die falschen Bioeier jetzt entdeckt wurden. Kein Zufall ist es aber, dass wir überhaupt in eine solche Situation geraten. Kriminelle Energie, und um die handelt es sich hier, entwickelt sich nur dort, wo man leicht viel Geld verdienen kann."

"Damit die merken, dass wir es ernst meinen"

Müller fordert mehr Personal für die Kontrollbehörden. "Das brauchen wir, damit wir mehr und intensiver kontrollieren können. Es ist ein großer Unterschied, ob ich fünf oder zehn Betriebe in einem bestimmten Zeitraum überwachen kann. Mit mehr Personal könnten wir einen größeren Druck auf die Betriebe aufbauen, damit die merken, dass wir es ernst meinen", sagte er.

Nach seinen Angaben gibt es in Deutschland in der Lebensmittelbranche 1,2 Millionen Betriebe. "Richtig kontrollieren können wir aber nur maximal die Hälfte. In den vergangenen zehn Jahren hat sich an unserem Personalstand nichts verändert", erklärte Müller. "Wir haben derzeit 2422 Kräfte und wir bräuchten 1200 bis 1500 mehr."

Müller plädiert auch für eine schlagkräftige Kontrollbehörde auf Bundesebene. Bislang sind die Kontrolleure den Landesbehörden oder Kommunen unterstellt. "Wir müssen dafür sorgen, dass wir auf kurzem Weg besser und effektiver kontrollieren können. Es darf nicht sein, dass wir ein und dasselbe Lebensmittel gleichzeitig an drei verschiedenen Stellen in Deutschland zur Probe nehmen", kritisierte der Vorsitzende des BVLK.

Das gesamte Interview lesen Sie in der Samstagsausgabe der Süddeutschen Zeitung.

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