Süddeutsche Zeitung

Lebensmittelpreise:Die Weltbank und der Streit um Biosprit

Was treibt die Preise für Nahrung wirklich in die Höhe? Die Antwort auf diese Frage ist in den vergangenen Monaten zu einem Politikum geworden.

Silvia Liebrich

Mit Schuldzuweisungen geizen die Akteure - darunter Hilfsorganisationen, Lobbyisten und Politiker - nicht.

Abwechselnd sind es Spekulanten, hungrige Chinesen und die vermeintlich gierige Biokraftoffindustrie, die wegen steigender Getreide- und Reispreise an den Pranger gestellt werden.

Zahlen und Fakten, die ihre Argumente untermauern, haben die einzelnen Parteien zur Genüge bei der Hand. Hinterfragt man diese, stellt sich jedoch häufig heraus, dass sie wenig taugen, um die verworrene Lage zu klären.

"Meinung eines einzelnen Experten"

Kurz vor dem Treffen der G-8-Staaten in Japan sorgte nun am Freitag eine angebliche Geheimstudie der Weltbank für Aufregung. Die Nutzung von Pflanzen zur Gewinnung von Biokraftstoffen habe Lebensmittel um 75 Prozent teurer gemacht, schreibt die britische Zeitung Guardian unter Berufung auf das Papier und erklärt auch gleich, warum der brisante Inhalt unter Verschluss gehalten werde: Die Weltbank wolle die US-Regierung nicht verärgern, heißt es dazu.

Denn sollte die Zahl tatsächlich stimmen, dann wären die Vereinigten Staaten als einer der Hautpverantwortlichen der Misere identifiziert. Das Land hat mit der Herstellung von Ethanol aus Mais weltweit das ehrgeizigste Biokraftstoffprogramm aufgelegt und exportiert seitdem deutlich weniger.

Ein Sprecher der Weltbank in London versuchte die Wogen am Freitag zu glätten. Von einer Geheimstudie könne nicht die Rede sein. "Hier wurde die Meinung eines einzelnen Experten zitiert, den die Weltbank zu Rate gezogen hat, wie viele andere auch", sagte er der Süddeutschen Zeitung.

Er distanzierte sich vom Inhalt des Papiers, in dem es weiter heißt, dass weder Spekulanten noch die verstärkte Nachfrage aus Schwellenländern wie Indien und China Schuld an den steigenden Preisen trügen. Auch die mehrjährige Dürre in Ländern wie Australien habe nicht "wesentlich" dazu beigetragen.

Die Krise am Lebensmittelmarkt hat nach Einschätzung der Weltbank verschiedene Ursachen, die sie in einer am 2. Juli veröffentlichten Studie aufschlüsselt.

Genannt werden darin die Verteuerung von Energie und Düngemitteln, die Dollar-Schwäche, die weltweit wachsende Nachfrage nach Nahrung, aber auch die Exportstopps einiger Länder, die etwa bei Reis zu kurzfristigen Engpässen auf dem Weltmarkt geführt haben.

"Einen signifikanten Beitrag zu den steigenden Lebensmittelpreisen leistet sicher auch die Biokraftstoffproduktion" betonte der Weltbank-Sprecher. Einen Anteil von 75 Prozent an der Preiserhöhungen könne er aber nicht bestätigen.

Die Weltbank räumt der Biokraftstoffindustrie in einem Papier, das sie zum G8-Gipfel (7. bis 9. Juli) vorgelegt hat, durchaus Chancen ein. Für Treibstoff aus Pflanzen müssen demnach in Zukunft aber vor allem Rohstoffe eingesetzt werden, die nicht für die Ernährung relevant sind.

So wird die Herstellung von Ethanol aus Mais von der Weltbank durchaus kritisch beurteilt. Den entscheidenden Ausweg für den Konflikt zwischen Tank und Teller sieht die Organisation jedoch in der zweiten Generation von Biokraftstoffen, die aus Pflanzenabfällen gewonnen werden.

Allerdings gelten diese Verfahren als technisch noch nicht ausgereift. Bis es soweit ist, werden nach Einschätzung von Experten noch einige Jahre vergehen.

So lange werden die Staats- und Regierungschefs der G8-Länder nicht warten können. Die Welternährungslage ist eines der Hauptthemen nächste Woche in Japan.

Von den Politikern werden Beschlüsse zur Lösung des Problems erwartet. Die werden sie allerdings nur auf Basis von fundierten Zahlen und Fakten treffen können, Panikmache hilft hier nicht weiter.

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SZ vom 05.07.2008/hgn
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