Lebensmittelhersteller werben mit Regional-Siegeln:Falsche Nähe

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Auf vielen Nahrungsmitteln prangen Siegel, die mit der regionalen Herkunft werben - auch wenn das Produkt gar nicht aus dem Umland stammt. Die Politik bemüht sich aktuell um Durchblick im Lebensmitteldschungel und erarbeitet Leitlinien für die regionale Kennzeichnung.

Max Hägler

Sie sieht recht schmackhaft aus, die Bierwurst von "Unser Land", ordentlich im Glas verpackt und auf dem Etikett sind saftige Wiesen und ein weiß-blauer Himmel zu sehen. Die "Löwen-Eier" werden auch eine ordentliche Qualität haben und vom Bauern stammen, ist doch das Siegel "Geprüfte Qualität Hessen" auf die Packung gedruckt.

Immer mehr Menschen in Deutschland legen Wert darauf, Produkte aus ihrer Region zu kaufen. Doch nicht alles, was mit regionalen Siegeln wirbt, stammt auch wirklich aus dem Umland. (Foto: AFP)

Genießern regionaler Produkte bieten Lebensmittelmärkte mittlerweile überall eine reichhaltige Auswahl an Siegeln und Marken an, die Orientierung bieten sollen. Oder mitunter auch nur eine Verortung vorgaukeln. Als kürzlich die Zeitschrift Öko-Test prüfte, ob Lebensmittel mit Regionalsiegel tatsächlich regionale Rohstoffe enthalten, die vor Ort verarbeitet und verkauft werden, da war die Ernüchterung groß: Nur 14 der getesteten 53 Lebensmittel stammten tatsächlich aus der Region.

Ganz offensichtlich wird mitunter ein wenig geschummelt oder zumindest ist nicht klar: Was heißt denn nun "regional" bei Lebensmitteln? Das ist eine der Fragen, die auf der Ernährungsmesse "Grüne Woche" in Berlin diskutiert werden, denn die Politik versucht gerade Durchblick in den Lebensmitteldschungel zu bringen.

Die Regierungen von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz haben ein Diskussionspapier erarbeitet, in dem sie Mindeststandards fordern, die ein Lebensmittel erfüllen muss, um als "regional" bezeichnet werden zu dürfen. Ein neues, durch den Bund erteiltes Regionalsiegel oder neue Gesetze braucht es nach Ansicht der grün-roten beziehungsweise rot-grünen Landesregierungen dagegen nicht. Das EU-Recht biete genügende und passende Instrumente zur Qualitäts- und Herkunftssicherung, heißt es in dem Papier, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. "Wir wollen bei Verbrauchern und Wirtschaft Leitlinien verankern - allen muss klar sein, wofür Regionalitätssiegel in Deutschland stehen", sagt Alexander Bonde (Grüne), Verbraucherschutzminister in Baden-Württemberg.

Das werde Druck auf die Branche erzeugen, weil damit eine bestimmte Verbrauchererwartung einhergehe. Als Leitlinien stellen sich die Länder vor, dass Produkte wie Obst oder Fleisch zu 100 Prozent aus der definierten Region kommen sollen, wenn ein Stempel sie als regionales Produkt ausweist. Bei verarbeiteten Produkten könnten Ausnahmen zulässig sein, das müsse allerdings transparent sein für die Verbraucher.

Zugleich fordern die beiden Länder, dass die Leitlinien nicht allzu viel Spielraum bekommen. Dann könnten neutrale Kontrollstellen und amtliche Lebenskontrolleure die Einhaltung einfach überwachen. Eine Fehlkennzeichnung, wie etwa der Fall von "Bodenseekäse", der eigentlich aus Holland kam, wie vor einigen Jahren geschehen, soll damit unterbunden werden.

Ob das Bundesverbraucherschutzministerium ähnliche Vorstellungen hat, wird sich an diesem Montag zeigen. Da will CSU-Ministerin Ilse Aigner in Berlin ihren Vorschlag für die Kennzeichnung regionaler Lebensmittel präsentieren. Wie zu hören ist, wird auch sie zuerst auf Freiwilligkeit setzen und gemeinsam mit den bestehenden Regionalverbänden und den Ländern überlegen, welche Kriterien und Symbole sinnvoll sein könnten. Ihr Ziel ist: "Wenn jemand mit Regionalität wirbt, soll er auch klar angeben müssen, was er damit meint."

© SZ vom 23.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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