Lebensmittelhersteller Kühne:"Die Gurke wird noch teurer"

Dokumentation; Kühne

Das Werk von Kühne in Schweinfurt.

(Foto: Frank Peters)

Der Mindestlohn mache sich bemerkbar, sagt der Chef des Lebensmittelherstellers Kühne - und erklärt, warum er sich vielleicht doch noch mal auf einen Gurkenflieger legt.

Von Elisabeth Dostert

SZ: Was machen Sie eigentlich?

Stefan Leitz: Wir stellen Gurken, Essig, Dressings, Rotkohl, Würzsoßen und eingelegtes Gemüse her. Das ist unser Kerngeschäft. Die Hälfte der Erlöse macht noch immer das Geschäft der Marke Kühne mit Endverbrauchern aus. Aber das Geschäft mit Industriekunden und Systemgastronomen wächst stark. Wir beliefern europaweit Burger King, Vapiano und Subway mit Soßen und Dressings. Wir sind der größte Hersteller von Essig in Europa.

Sauerkonserven sagen Sie nicht?

Das ist kein schönes Wort. Es klingt tradiert.

Wie oft werden Sie mit dem Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne verwechselt, der auch Aktionär des Fußballklubs Hamburger SV ist?

Erstaunlich oft. Wir werden auch in Briefen beschimpft, wenn es beim HSV mal nicht so gut läuft. Manchmal gibt es auch Lob, gerade eher selten. Wenn das Stadion irgendwann mal in Kühne-Arena umbenannt werden sollte, nehmen wir die kostenlose Werbung auch gerne mit.

Die Firma

Carl Kühne KG

  • Sitz: Hamburg
  • Gegründet 1722 durch den Essigbrauer Johann Daniel Epinius, einem Verwandten der Kühne-Familie. Seit 1832 fimiert die Firma Carl Kühne.
  • Umsatz: geschätzt 350 bis 400 Millionen Euro
  • Mitarbeiter: 1500

Mögen Sie Gurken?

Ja. Ich bin ein ganz großer Gurkenfan, auch schon vor Kühne-Zeit. Ich bin der Traumkonsument für die Schlemmertöpfchen. Regelmäßig und viele.

Standen Sie schon selbst mal zwei Tage auf dem Feld bei der Ernte?

Ich wollte mal den Gurkenflieger ausprobieren. Da liegt man ja bäuchlings auf der Erntemaschine und der Traktor fährt ganz langsam übers Feld. Aber unser Werksleiter hat mir abgeraten, der meinte, es könnte nach PR aussehen, wenn der Vorsitzende der Geschäftsleitung aus Hamburg anreist und sich auf den Gurkenflieger legt.

Sie müssen ja die Presse nicht dazu einladen!

Das hatte ich nicht vor. Er meinte, es käme vielleicht auch bei den Menschen nicht so gut an, die den ganzen Sommer Gurken ernten. Irgendwann mache ich es vielleicht doch noch. Es muss sehr anstrengend sein. Ich habe hohen Respekt vor dieser Arbeit.

Die wahnsinnig schlecht bezahlt wird!

Das ist relativ. Es ist eine harte Arbeit. Viele würden für diesen Lohn nicht arbeiten.

Enthielten die Verträge mit Ihren Vertragspartnern, die für Sie Gurken oder anderes Gemüse anbauen, vor der Einführung des Mindestlohns Anfang dieses Jahres eine Lohnklausel?

Wir arbeiten mit unseren Vertragsanbauern zum Teil schon in der dritten Generation zusammen. Diese werden auch regelmäßig vom Zoll kontrolliert, ob sie Sozialleistungen abführen. Ich gehe fest davon aus, dass die die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden. Die Verträge enthalten auch Hygiene-Vorschriften. Ich kann natürlich nicht für jede Minute zu jeder Tageszeit garantieren, dass alle Vorschriften eingehalten werden, aber wer dagegen verstößt, fliegt.

Verbieten Ihre Verträge Kinderarbeit?

Ja, absolut. Aber kann ich Ihnen meine rechte Hand dafür geben, dass auf Feldern in der Türkei am Nachmittag nicht auch mal die Kinder des Kleinbauern aushelfen? Das kann ich nicht und kein anderer Hersteller. Das wäre unseriös. Wir machen eigene Audits vor Ort, um das zu kontrollieren.

Wie wirkt sich der Mindestlohn auf Ihr Geschäft aus?

Die Gurke ist deutlich teurer geworden und sie wird noch teurer werden. Die Gurke ist eine arbeitsintensive Frucht, die muss von Hand geerntet werden. Und der Wert einer Tonne Gurken ist deutlich geringer als der Wert einer Tonne Erdbeeren oder Spargel. Das heißt, auf den Stundenlohn entfällt bei Gurken ein deutlich höherer Anteil an den Rohwarenkosten als bei anderen Früchten.

Wie stark sind die Preise gestiegen?

Um einen leicht zweistelligen Prozentsatz, damit rechnen wir auch in den nächsten zwei Jahren. Wie sich der Mindestlohn auswirkt, ist die entscheidende strategische Frage für unsere Branche. Wenn der Bauer die höheren Löhne nicht auf seine Abnehmer abwälzen kann, baut er im nächsten Jahr lieber Raps oder Mais an als Gurken. Wenn wir dem Bauer mehr zahlen, müssen wir von den Händlern höhere Preise verlangen, und der holt es sich vom Verbraucher zurück. Die werden dann weniger Gurken essen. Die andere Frage ist die der relativen Wettbewerbsfähigkeit.

Heißt?

Wir stehen in starker Konkurrenz zu den Eigenmarken der Händler, die sind deutlich billiger. Wenn die ihre Gurken künftig im Ausland anbauen lassen, haben sie einen drastischen Kostenvorteil.

Das könnten Sie auch tun?

Darüber denken wir nach. Es ist aber noch nichts entschieden. Noch stammen mehr als 80 Prozent der Kühne-Gurken aus Deutschland. Die Gurken-Felder liegen in der Nähe unserer Werke in Schweinfurt und Straelen. Es kann sein, dass die Gurke aus Deutschland abwandert. Früher wurden auch in den Niederlanden viele Gurken angebaut. Dann wurde dort ein Mindestlohn eingeführt und der Gurkenanbau ging drastisch zurück.

Finden Sie den Mindestlohn gut oder schlecht?

Ich finde ihn gut. Er war in vielen Branchen überfällig. Ich verstehe aber nicht, dass bundesweit das gleiche Niveau gilt. Außerdem hat sich der Gesetzgeber keine Gedanken über die nötigen Ausnahmen für Saisonkräfte gemacht.

Heißt: Mindestlohn an sich ist okay, nur wenn er Ihre Firma trifft dann nicht mehr!

Nein, das heißt, dass der Gesetzgeber alle Branchen über einen Kamm schert und zu viel Administration aufgebaut wird. Für die Branchen, die stark vom Einsatz von Saisonkräften abhängen, wie zum Beispiel im Tourismus, oder in der Landwirtschaft die Erntehelfer, werden steigende Kosten an den Kunden weitergegeben müssen.

Aber die Ernte der Gurken ist ein harter Job!

Absolut. Deshalb ist es auch Schade, dass Gurken und anderen Lebensmittel so wenig Wertschätzung entgegen gebracht wird. Der Preis steht beim Handel und Konsumenten zu stark im Vordergrund. Deutschland hat innerhalb Europas die niedrigsten Lebensmittelpreise, bei gleichzeitig höchsten Qualitätsstandards.

"Die Gewürzgurke spricht eher ältere Kunden an."

Wenn Sie ein neues Produkt einführen, essen Ihre Gesellschafter dann Probe?

Ja. Wir sind alle sehr nah am Produkt. Wir machen bei den Beiratssitzungen häufig Verkostungen, die Gesellschafter haben auch die neue Serie Enjoy getestet.

Was kam denn besonders gut an?

Die Mehrheit mochte die Vinaigrette - Rapsöl mit Balsamico oder Himbeere. Das Mango-Dressing ist spezieller. Das vegane Sylter Dressing kam auch gut an. Beim Dressing hat man immer zwei Fraktionen - entweder Essig und Öl oder Joghurt. Die neuen Dressings und Soßen sollen eher junge Verbraucher ansprechen.

Was ist jung?

Bis 40.

Wie viele von 100 Kühne-Konsumenten sind älter als 40?

Zwei Drittel, das hängt von der Kategorie ab. Die Gewürzgurke spricht eher ältere Kunden an, die Cornichons eher jüngere. Den Würzessig kaufen eher ältere Haushalte, Balsamicos und Cremas eher jüngere. Die Dressings für die Brigitte-Diät kamen auch toll an. Das ist unser großes strategisches Thema, die Marke Kühne zu verjüngen ohne die Stammkunden zu verlieren.

Sie machen den Job jetzt bald zwei Jahren. Wie viele neue Produkte gehen auf Ihr Konto?

Ich zähle das nicht. Ein bisschen was war schon in der Pipeline. Wir haben circa die Hälfte der Etiketten überarbeitet, da gibt es wenig, was wir nicht angefasst haben. Die Remouladen-Tube haben wir nicht angefasst.

Produktnamen wie Kater-Killer gehen auch auf Ihr Konto?

Ja. Das spricht jüngere Menschen an. Deshalb haben wir auch die Oktoberfest-Gurken Bub und Madl gemacht mit blauem und rosa Deckel, ein Oktoberfest gibt es doch mittlerweile überall. Die Gläser stehen dann auch nicht mehr im Gurkenregal, wo junge Menschen seltener hingehen, sondern auf Sonderflächen - bei Weißbier, Weißwürsten und Brezeln. Wir nutzen auch die sozialen Netze und Blogs.

Neue Etiketten und ein neuer Aufguss sind keine echte Innovation!

Echte Innovationen sind im Lebensmittelmarkt schwierig. Kühne hat 1973 als erster deutscher Hersteller ein verzehrfertiges Salatdressing auf den Markt gebracht. Echte Innovationen sind verdammt schwer, schon wegen der unglaublich hohen Kosten für Zulassung und Markteintritt. Die Flop-Rate ist ziemlich hoch. In so einem entwickelten Markt, muss man schon auch etwas Glück haben. In diesem Sommer haben wir Oliven eingeführt. Braucht der deutsche Markt noch mehr Anbieter von Oliven und braucht er welche von Kühne? Nein.

Genau!

Aber das sind die ersten ohne Öl. Und die verkaufen sich richtig gut. Ist das eine Innovation? Nein. Es ist aber ein kleiner Unique Sales Point. Die Energy Drinks waren eine echte Innovation. Wir müssen auch darauf achten, welche Innovationen zu Kühne passen, Energy Drinks bestimmt nicht.

Was würde denn passen?

Es muss in der Erde wachsen. Obst und Gemüse in jeglicher Zubereitung.

Sie sind vor zwei Jahren eingestellt worden, damit es bei Kühne endlich vorwärtsgeht. Ihr ehemaliger Arbeitgeber Unilever hat vergangenes Jahr eine operative Rendite von knapp 15 Prozent erwirtschaftet. Ist das Ihre Zielmarke?

Nein. Solche Renditen sind für mittelständische Lebensmittelhersteller eine Illusion. Unsere Zielmarke liegt im mittleren einstelligen Bereich.

Wie weit sind Sie davon noch entfernt?

Wir sind gut unterwegs. Wir möchten jedes Jahr gut einstellig den Umsatz wachsen - um die fünf Prozent. In den vergangenen drei Jahren hatten wir leider kein Wachstum.

Wie groß ist Ihre Angst, dass Kühne selbst übernommen wird?

Ich habe keine Angst. Ich habe höchstes Vertrauen in die Aussage der Gesellschafter, dass sie die Firma behalten wollen.

Kühne
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