Lebensmittelhandel:Warum Edeka Tengelmann unbedingt übernehmen möchte

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Seit zwei Jahren dringt Edeka auf die Übernahme der gut 400 Filialen von Kaiser's Tengelmann. Wieso hat der Branchenprimus das nötig? (Foto: Roland Weihrauch/dpa)
  • Seit mehr als 15 Jahren macht Kaiser's Tengelmann Verluste. Allein in diesem Jahr werden sich die Verluste auf schätzungsweise 120 Millionen Euro türmen.
  • Edeka erhofft sich durch die Übernahme einen Zuwachs an Einkaufsmacht.

Von Michael Kläsgen, München

Es ist schon sehr verwunderlich, dass Edeka auf Biegen und Brechen am Kauf der verlustträchtigen Supermarktkette Kaiser's Tengelmann festhält. Seit mehr als 15 Jahren machen die Märkte Jahr für Jahr rote Zahlen. Allein in diesem Jahr werden sich die Verluste auf schätzungsweise 120 Millionen Euro summieren. Manche Läden in der Region Nordrhein gelten gar als unverkäuflich, so unattraktiv sind sie.

Aber Edeka beharrt dennoch darauf, die verbliebenen gut 400 Märkte einzuheimsen, obwohl die Gruppe mit ihren mehr als 13 000 Filialen schon mit Abstand der größte Lebensmittelhändler in Deutschland ist. Dazu kommen noch die gut 4000 Discount-Märkte von Netto, die auch zur Edeka-Gruppe gehören.

Das Unternehmen aus Hamburg will den Kauf so sehr, dass es dafür das Fusionsverbot des Kartellamts übergeht, das Votum der Monopolkommission ignoriert, ein Ministererlaubnisverfahren anstrengt und am Ende sogar bereit ist, wie am Donnerstagabend bekannt wurde, Wettbewerbern finanziell oder anderweitig entgegenzukommen, um das Fusionsverbot eines Gerichts auszuhebeln ( siehe Kasten). Nur um die "Verlustbringer" einzuheimsen. Seit zwei Jahren dringt Edeka auf die Übernahme. Warum nur? Wieso hat der Branchenprimus das nötig? Und weshalb ist er willens, dafür schätzungsweise 250 Millionen Euro auszugeben, wobei sich der im August 2014 vereinbarte Kaufpreis inzwischen womöglich verringert hat, weil auch die Zahl der Filialen geschrumpft ist.

Es liegt an der Markt- oder präziser: Einkaufsmacht, die Edeka durch den Kauf hinzugewinnt. Wenn Edeka mit einem Einkaufsvolumen von, sagen wir, 30 Milliarden Euro auftritt - in Wirklichkeit sind es wohl mehr - und seine Einkaufskonditionen dank der Übernahme nur um einen Prozentpunkt verbessert, spart es 300 Millionen Euro im Jahr. Der Kauf von Kaiser's Tengelmann hätte sich in nur einem Jahr finanziert.

Am Ende werden Hersteller und Lieferanten die Übernahme bezahlen

Tatsächlich sind die Unterschiede zwischen den Einkaufskonditionen zwischen Edeka und Kaiser's Tengelmann aber noch viel größer als nur ein Prozentpunkt. Sie liegen zwischen sieben und zehn Prozent für Lebensmittel- und Drogerieartikel, wie Tengelmann-Eigner Karl-Erivan Haub einräumte. Zwar hat Kaiser's Tengelmann bundesweit nur einen Marktanteil von 0,6 Prozent, ist aber in München, Berlin und in der Region Nordrhein in manchen Vierteln sehr stark vertreten. Den Preis für die Fusion muss Edeka in der logischen Konsequenz daher nur mittelbar selber aufbringen. Ihn bezahlen in erster Linie die Zulieferer und Hersteller generell, aber besonders in der jeweiligen Region.

Dank der verbesserten Einkaufskonditionen stärkt Edeka darüber hinaus seine Liquidität. Wer mehr Bares hat, kann leichter expandieren, das heißt, Läden übernehmen. Edeka und andere Großkonzerne sind deshalb stets dort zur Stelle, wo Mietverträge von Supermärkten auslaufen. Die Großen versuchen aber auch finanzschwächere Konkurrenten mit Angeboten für Ladenflächen auszustechen, die betriebswirtschaftlich kaum Sinn haben, nur um den Standort zu kriegen. Auch hier lautet die Logik: Ausbau der Marktposition, also der Marktmacht, um jeden Preis. Dieser Logik folgen alle vier großen deutschen Einzelhandelskonzerne, neben Edeka sind das Aldi, Lidl und Rewe. Wer groß ist, dem fällt es leichter, noch größer zu werden. So kam es dazu, dass die großen Vier laut Kartellamt 85 Prozent des Marktes beherrschen, Tendenz steigend.

Um ihre Einkaufsmacht auszudehnen, sind die Großen sogar bereit, dort Läden zu mieten, also "Flächenexpansion zu betreiben", wo das Geschäft eigentlich defizitär ist. Siehe Edeka in Nordrhein. Der Grund: Die Verluste aus der Expansion sind geringer als die Zuwächse an Einkaufsmacht. Edeka hat schon heute bei manchen Markenartikeln einen Marktanteil von mehr als 40 Prozent. Wenn der Primus dafür 20 Prozent weniger zahlt als die Konkurrenz, ist die höhere Miete schnell bezahlt. Ein anderer Vorteil: Bei der Vergabe von Mietverträgen ist das Kartellamt nicht zuständig, sondern die Kommune, wenn auch nur bei großen Flächen. Die Expansion der Konzerne kann sich auf diese Weise jenseits jeder Fusionskontrolle vollziehen.

© SZ vom 08.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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