Es ist wohl eine der sinnfreiesten Praktiken dieser Zeit, dass Supermärkte essbare Lebensmittel tonnenweise in den Müll werfen, während andernorts Menschen verhungern. Zu dieser Überzeugung ist nun jedenfalls das französische Parlament gelangt: Frankreichs Großhändler dürfen künftig keine Nahrungsmittel mehr wegwerfen oder unbrauchbar machen, so der einstimmige Beschluss am Donnerstagabend. Stattdessen sollen unverkaufte Lebensmittel gespendet oder anderweitig verwendet werden. Eine Regelung, die nicht alle Händler trifft: Kleinere Geschäfte dürfen Gemüse und Fleisch weiter in die Tonne werfen.
Es sei "skandalös", so ein Abgeordneter, dass Geschäfte mitunter sogar Chlor über die Mülleimer kippen, um zu verhindern, dass sich jemand daran bedient. Diese Strategie ist Supermärkten mit einer Fläche von über 400 Quadratmetern künftig verboten. Unverkaufte Ware muss gespendet, als Tiernahrung genutzt oder kompostiert werden. Großhändler werden verpflichtet, mit einer karitativen Organisation ein Abkommen für Lebensmittelspenden zu schließen. Der richtige Umgang mit Lebensmitteln soll Schulfach werden.
Der Handel kritisierte die Maßnahmen bereits. Die Regelung würde ihr Ziel verfehlen, heißt es. Großhändler seien lediglich für fünf Prozent der verschwendeten Nahrungsmittel verantwortlich. Zudem seien Supermärkte ohnehin bereits die Hauptspender für Hilfsorganisationen. Tatsächlich: Die größten Verschwender sind die Verbraucher selbst. Jeder Franzose wirft jährlich 20 bis 30 Kilo Lebensmittel weg - im Wert von zwölf bis 20 Milliarden Euro. Mit ihrer Maßnahme, hofft Umweltministerin Ségolène Royal, soll sich dies ändern. Ihr Ziel ist es, die Lebensmittelverschwendung der Franzosen bis 2025 zu halbieren.
In Deutschland gibt es kein vergleichbares Gesetz. Größter Abnehmer von unverkaufter Supermarkt-Ware sind Tafeln, die das Essen an sozial Schwache verteilen. Dennoch landen hier jedes Jahr elf Millionen Tonnen Lebensmittel im Wert von 25 Milliarden Euro auf dem Müll. Ein Großteil ist nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums noch essbar. Insgesamt wirft jeder Deutsche pro Jahr 82 Kilogramm Essen weg.
Deshalb hat sich die deutsche Bundesregierung zum Ziel gesetzt, der Vernichtung von Lebensmitteln Einhalt zu gebieten. Sie wählt dafür aber einen anderen Weg als Frankreich. Sie setzt auf Aufklärung und freiwillige Verhaltensänderung. Die früherer Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) gründete 2012 die Initiative "Zu gut für die Tonne", ein Bündnis, dem sich Städte und Kommunen, kirchliche Verbände, die Tafeln und andere Organisationen angeschlossen haben. Im Zentrum steht dabei die Aufklärung, dass ein abgelaufenes Mindesthaltbarkeitsdatum auf der Verpackung nicht automatisch bedeutet, dass ein Lebensmittel ungenießbar ist. "Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist kein Wegwerfdatum, sondern eine Orientierungshilfe", betont das Ministerium. Daneben ist für leicht verderbliche Produkte wie Hackfleisch oder frisches Geflügel noch ein Verbrauchsdatum vorgeschrieben.
Auch in Deutschland ist der Handel gezwungen, Produkte auszusortieren, die das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten haben, ganz egal, ob gut oder schlecht. Viele Geschäfte lassen es jedoch zu, dass diese Ware von Tafeln oder sogenannten Essensrettern abgeholt wird. Was übrig bleibt, geht an Firmen, die auf die Entsorgung von Essensabfällen spezialisiert sind.