Doppelte Böden, überdimensionierte Kartons oder einfach nur jede Menge Luft in der Verpackung. Wenn Lebensmittelhersteller Preiserhöhungen vertuschen wollen, mangelt es nicht an Ideen. Der Trick dabei: Am Verkaufspreis am Regal ändert sich nichts, dafür wird der Inhalt weniger. Für Verbraucher ist das schwer erkennbar.
Ärgerlich ist auch, dass die Zahl solcher Mogelpackungen seit Jahren zunimmt. Und auch sonst liegt nach Ansicht der Verbraucherschützer einiges im Argen, wenn es um die Transparenz von Lebensmittelpreisen geht. Abhilfe soll da in Zukunft eine Preisbeobachtungsstelle für Nahrungsmittel schaffen. Einen entsprechenden Vorschlag stellte der Vzbv, der Bundesverband der Verbraucherzentralen, am Donnerstag vor. Denn egal ob Milch, Butter oder Tomaten: „Die Lebensmittelpreise gleichen einer Blackbox“, sagte die Verbandsvorsitzende Ramona Pop. Die hohen Umsätze der Lebensmittelindustrie geben nach ihrer Ansicht Anlass zur Vermutung, dass hier auf Kosten von Verbrauchern Kasse gemacht werde.
Das eigentliche Problem ist laut Pop die Intransparenz auf der Kostenseite. Tatsächlich lässt sich schwer feststellen, ob Preise fair oder überteuert sind, wenn die tatsächlichen Kosten und damit die Preiskalkulationen unbekannt bleiben. Zu den Kosten gehören der Anbau auf dem Acker, das Verarbeiten in der Lebensmittelindustrie, hinzu kommen Personal-, Energie-, Verpackungskosten und mehr. „Verbraucher können nicht nachvollziehen, ob Preissteigerungen gerechtfertigt sind“, sagte Pop weiter. „Die Bundesregierung muss endlich Licht ins Dunkel der Preisgestaltung bei Lebensmitteln bringen“. An Schuldzuweisungen jedenfalls mangelt es nicht. Vor allem dem starken deutschen Einzelhandel mit Firmen wie Aldi, Lidl, Rewe, Edeka und Co. wird immer wieder Abzocke vorgeworfen, Molkerei- und Fleischkonzerne stehen im Verdacht, Milchbauern und Viehhalter zu übervorteilen. Was fehlt, um das zu beurteilen, sind verlässliche Angaben zu Kosten und Gewinnmargen.
Um zu klären, wie die notwendigen Daten erfasst werden können, hat der Vzbv eine Machbarkeitsstudie bei der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft mbH (AMI) in Auftrag gegeben. Deren Gutachten zeigt laut Pop, dass viele notwendige Daten bereits vorhanden sind und nur zusammengeführt werden müssten. Wo sie fehlen, müsse die Bundesregierung dafür sorgen, dass Datenlücken identifiziert und geschlossen werden. „Die Fakten liegen auf dem Tisch“, so Pop. Nun sei die Politik am Zug.
Die Debatte über Lebensmittelpreise dürfte sich in den nächsten Jahren weiter verschärfen
Starke Preissteigerungen bei Lebensmitteln machen vielen Bundesbürgern nicht erst seit der Corona-Pandemie und dem Krieg in der Ukraine zu schaffen. Zwar macht die Ernährung laut Statistik im Schnitt nur elf Prozent der Ausgaben eines Haushalts aus. Dabei werde jedoch übersehen, dass Haushalte mit niedrigem Einkommen 23 Prozent für Lebensmittel ausgeben müssten, so Pop. „Das ist eine riesige Zahl.“ Hier bestehe dringend Handlungsbedarf.
Die Debatte über Lebensmittelpreise dürfte sich in den nächsten Jahren weiter verschärfen. Laut Vzbv sind Lebensmittelpreise seit 2021 insgesamt um fast 33 Prozent gestiegen. Die Klimakrise setzt Erzeuger weiter Druck, hinzu kommen politische Konflikte und Kriege sowie die stark wachsende Weltbevölkerung.
Die Zeiten, in denen billige Lebensmittel die Inflation bremsten, sind auch in Deutschland längst vorbei. Das bestätigen die Daten aus dem Gutachten der AMI. Demnach wendete sich 2006 das Blatt und Nahrungsmittel holten im Vergleich zum Verbraucherpreisindex auf. „Seitdem steigen die Lebensmittelpreise meistens stärker als die Lebenshaltungskosten insgesamt“, heißt es in dem Papier.
Deutschland hat nach Einschätzung von Vzbv-Chefin Pop Aufholbedarf in Sachen Preistransparenz. Sie verweist auf EU-Länder wie Spanien und Frankreich, in denen es bereits Preisbeobachtungsstelle gibt. „Wir sind da eher die Nachhut“, ergänzt sie. Auch die Europäische Kommission will Preise für Nahrungsmittel stärker beobachten mit einer im April eigens dafür eingerichteten Stelle namens Agriculture and Food Chain Observatory.