Lebensmittel:Heiliger Reis

Japan soll den Markt für Lebensmittel aus Europa öffnen - ein ziemlich einseitiger Deal, der große Risiken birgt.

Von Lena Kampf und Alexander Mühlauer, Brüssel

Japanisches Rindfleisch-Restaurant in Tokio

Ein Leben ohne die tägliche Portion Reis? Für viele Japaner unvorstellbar.

(Foto: Andy Rain/dpa)

Was auf dem Teller landet, ist Teil der kulturellen Identität. Noch immer gilt: Du bist, was du isst. Das ist bei Nürnberger Rostbratwürstchen nicht anders als bei japanischem Rundkornreis. Der muss in gekochtem Zustand leicht kleben und besteht aus kurzen, fast durchsichtigen Körnern. Japan ist bei Reis Selbstversorger. Obwohl der Reiskonsum seit Jahren deutlich sinkt, auch weil junge Japaner wohl immer häufiger Brot essen, bleibt den Japanern ihr Reis heilig. Das lässt sich daran ablesen, dass der heimische Anbau mit Importzöllen für ausländischen Reis von bis zu 201 Prozent geschützt ist.

So ist es nicht verwunderlich, dass die Bundesregierung Ende Januar in einer vertraulichen Mitteilung über den Stand der Verhandlungen des Abkommens feststellte: "Der für Japan sensible Agrarbereich bleibt Hauptknackpunkt in den Verhandlungen." Insbesondere die von der EU geforderte Liberalisierung des Handels mit Milchprodukten sei für die japanische Seite "mit großen Herausforderungen" verbunden.

Tatsächlich besteht neben dem Schutz des eigenen Reises auch die Angst, von europäischer Milch und Fleisch geflutet zu werden. Japan erhebt gegenüber der EU hohe Zölle auf Fleischprodukte. "Hier sind auch in den Liberalisierungsszenarien die größten Effekte für die EU zu erwarten", heißt es in einer Studie zum Freihandelsabkommen.

Trotz der bisherigen Abschottung hat sich zuletzt ein Trend abgezeichnet. Seit 2013 hat sich der Export von tierischen Produkten vervielfacht, die Einfuhr von Milchprodukten und gefrorenem Schweinefleisch mehr als verdoppelt. Bei gefrorenem Schweinefleisch ist Japan neben China, Korea und den Philippinen mittlerweile Deutschlands wichtigster außereuropäischer Handelspartner. Kritiker fürchten tief greifende Konsequenzen für japanische Kleinbauern. "Fallen die Zölle wie im Abkommen vorgesehen, fällt der Schutz für japanische Produzentinnen und Produzenten. Die ohnehin schon sehr hohen Einfuhren von zum Beispiel Schweinefleisch aus der EU und Deutschland werden durch das Freihandelsabkommen weiter anziehen und kleinbäuerliche Strukturen in Japan zerstören", sagt Bärbel Höhn (Grüne), Vorsitzende des Umweltausschusses im Bundestag.

Kürzlich wurde im japanischen Parlament bereits eine Agrarreform verabschiedet. Im Milchsektor würde die Regierung eventuelle negative Effekte für die heimische Produktion mit Hilfspaketen abmildern. Japans Premierminister Shinzo Abe sieht eine Chance im Freihandel und will seinen Bauern neue Exportmärkte öffnen. Dabei versucht er seit Langem mit Reformen alte Strukturen aufzubrechen, wie etwa die der landwirtschaftlichen Kooperativen, die unter anderem den Reisanbau kontrollieren. Sie verkaufen den Bauern auch überteuerte Hilfsmittel wie Pestizide. Hier will Abe ansetzen, Preise senken, um das Einkommen von Reisbauern zu steigern, und den Beruf wieder attraktiv zu machen.

Denn der Reis, der vielen Japanern heilig ist, hat ein Nachwuchsproblem. Es gibt immer weniger Bauern, zuletzt fiel die Zahl der in der Landwirtschaft Beschäftigten auf unter zwei Millionen. Das Durchschnittsalter von Bauern liegt bei mehr als 66 Jahren - und damit deutlich über dem Durchschnitt der Gäste in Sushi-Restaurants in europäischen Hauptstädten.

Bis zu einer politischen Einigung müssen sich die Handelspartner außerdem noch auf die Anerkennung von geschützten geografischen Herkunftsbezeichnungen verständigen. Während Japan nur etwa ein Dutzend Produkte an die EU-Kommission übermittelt hat, darunter zum Beispiel Kobe-Rindfleisch, ist die europäische Liste für Japan deutlich länger: Das Land soll den Sonderstatus von insgesamt 205 europäischen Produkten anerkennen. So dürften etwa Parmaschinken oder irischer Whiskey nur dann in Japan als solche verkauft werden, wenn sie auch in den jeweiligen Regionen in Europa hergestellt werden. Auch dieses Thema ist bisher noch ungelöst - und soll auch nicht ausgeklammert werden. In einem Lagebericht deutscher Diplomaten hieß es Ende Mai: "Für eine politische Einigung müssten aus Sicht der Kommission noch einige strittige Punkte geklärt werden, wie der Marktzugang für landwirtschaftliche Güter und zum öffentlichen Beschaffungswesen sowie bestimmte nichttarifäre Handelshemmnisse und geografische Herkunftsangaben."

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